Tottenham Hotspur digital schon weltklasse – Wie das neue Stadion zum Fußballerlebnis der Zukunft wird

Seit einigen Jahren sorgt der Londoner Verein aus dem Stadtteil Tottenham dank Mauricio Pochettino mit Angriffsfußball für Aufsehen. Der Umzug in ein brandneues Stadion soll die Heimspiele der Spurs nun auch zum digitalen Großevent machen – und damit den Stadionbesuch revolutionieren.

Die Spurs auf dem Weg nach oben: Auf dem Platz und abseits davon

Mit Harry Kane haben die Spurs einen weltklasse Stürmer der alten Schule in ihren Reihen, der Woche für Woche die Fangemeinde begeistert. Er soll Tottenham wieder zu einem Titel führen – den letzten gab es vor zehn Jahren – und so schmerzt sein derzeitiger Ausfall besonders. Während man also auf dem Platz in der Premier League und Champions League noch nicht den Weg an die Spitze gefunden hat, landet der Verein in Sachen Weichenstellung für den Live Fußball von morgen jedoch einen großen Wurf. Denn das neue Stadion und Nachfolger der altehrwürdigen White Hart Lane setzt bei der Digitalisierung ebenso Maßstäbe wie beim Vermarkten der Arena. Auch dank IT-Partner Hewlett Packard bricht in Tottenham ab kommender Saison die Zukunft an, in der das Spiel auch nach 90 Minuten nicht ganz vorbei und nicht nur am Spieltag Bewegung im Stadion ist.

 

Eine namenlose Hightech Arena

Noch hat das neue Stadion der Tottenham Hotspur keinen offiziellen Namen, bislang ist der Bau als Northumberland Development Project bekannt. Allerdings versucht der Verein mit dem Verkauf der Namensrechte mehrere hundert Millionen Pfund in die Kassen zu spülen, die den Bau finanzieren sollen. Immerhin sind die Kosten laut übereinstimmenden Medienberichten aus England inzwischen bei knapp 800 Millionen Pfund angelangt. Ein stolzer Preis, der gute Gründe hat.

Mit einer Kapazität von 61.559 wird das Stadion zum größten Fußballstadion in London; und in London gibt es viel Konkurrenz. Dabei sollen die Fans näher am Platz sein als bei allen anderen Stadien vergleichbarer Größe im UK. Auch dass beeinträchtigte Fans dank flexiblen Sitzoptionen bei ihren Familien sitzen können, ist bislang einzigartig in den britischen Stadien. Doch neben uneingeschränkter Sicht und mehr Beinfreiheit  für alle stellt sicherlich der weltweit erste ausfahrbare und sich teilende Platz im Stadion einen besonderen Wow-Faktor dar. In Kooperation mit der Ingenieursfirma SCX wurde eine Struktur entwickelt, die nicht nur flexibel ist, sondern sogar zwei Plätze vorsieht. Der Rasenplatz ist direkt über einem künstlichen Rasen positioniert. Und ein Wechsel von einer Variante zur anderen soll nach Klubangaben nur etwa 25 Minuten in Anspruch nehmen.

Damit zeigt sich das Stadion pragmatisch und macht hinsichtlich Komfort und Optik einiges her.


Wie eine Mischung aus Elbphilharmonie und Fußballstadion, © Tottenham Hotspur

Doch es ist vor allem der digitale Fortschritt, der dieses Stadion zu einem Vorreiter für Fußballvereine weltweit machen könnte.

 

Digitale und weitere Erfahrungen für Fans und Besucher

Das Unternehmen Hewlett Packard, von 1995 bis 1999 und 2013/14 in der Premier League Haupt- und Trikotsponsor bei den Spurs, ist der offizielle Parter für IT- und Wirelesslösungen im neuen Stadion. Mit dieser Partnerschaft soll das Fußballerlebnis vor Ort an den digitalen Standard von 2018 sowie die Erwartungen der Besucher angepasst werden.Tottenham Hotspurs Head of Technology, Sanjeev Katwa, betont auf der offiziellen Seiten zum Stadion:


„Creating a technology infrastructure to support an enhanced visitor experience requires solutions that can meet the growing demands of visitors that come to our new stadium. We believe Hewlett Packard Enterprise can support us on the journey in building one of the most technologically advanced stadiums in the world.“

Daher wird mit den Pointnext Services von HP sowie dem Tochterunternehmen Aruba und dessen Lösungen operiert. Marc Waters, Managing Director für das Vereinigte Königreich und Irland bei HP Enterprises meint:

„Tottenham Hotspur realise that being digital from the ground up is imperative to transform its fan experience.“

Und die Experience wird sich durchaus verändern. Zum einen soll es überall im Stadion WiFi geben und eine App, um den Spieltag und Besuch aufs Smartphone zu bringen. Drehkreuze können künftig mit mobilen Tickets passiert werden; und das Stadion wird zur Cashless Area, in der mit einer speziellen Karte oder dem Smartphone gezahlt werden kann. Doch damit nicht genug: Beacons werden im Stadion vorhanden sein, sodass auch digital der schnellste Weg zum Platz, zum nächsten Pie oder eben zum Store gefunden werden kann. Aber das HP Unternehmen Aruba bietet dem Veranstalter noch umfassendere Möglichkeiten, um die digitale Vernetzung mit den Besuchern zu nutzen. So könnten laut der Aruba Website personalisierte Push-Nachrichten möglicherweise Angebote im Fan-Store ankündigen, während Instant Videos vom Spielgeschehen die Live-Erfahrung erweitern. Die Nutzer, die sich ins WLAN einwählen, können über ein „benutzerdefiniertes markenspezifisches Webportal“ ganz besonders begrüßt werden. Im US-amerikanischen Levi’s Stadium in Santa Clara, Zuhause des NFL-Teams San Francisco 49ers, werden dank dieser Technologie von Aruba längst Getränke vom Platz aus geordert oder Replays in HD auf dem Smartphone angeschaut.

Allerdings haben die Spurs pro Saison in der Premier League nur 19 Heimspiele; dazu kommen Pokal- und im Bestfall Champions League-Auftritte. Eine hochmoderne Event Arena will jedoch öfter ausgelastet sein, um profitabel zu werden. Deshalb wird das neue Stadion der Tottenham Hotspur in London auch 365 Tage im Jahr geöffnet haben. Zu den Heimspielen der Spurs, zu ausgesuchten NFL-Spielen, die ebenso auf dem Kunstrasen ausgetragen werden sollen wie zahlreiche Konzerte. Aber auch für zahlreiche weitere Attraktionen. Da gibt es etwa den Sky Walk, bei dem die Besucher bis zu 40 Meter am Stadion in die Höhe klettern können. Zudem werden neben der obligatorischen Stadiontour und dem Museumsbesuch auch verschiedene Shoppingmöglichkeiten, Cafés, Konferenz- und Bankettsäle zum Angebot gehören. Damit wird die Arena zum Schauplatz von All Round Events in vielerlei Hinsicht. Für die Traditionalisten unter den Fans bringt das jedoch einige Negativaspekte mit sich.

Touristen und Geschäftsbesucher statt die hard-Fans?

„We are creating, what we believe, will be the finest stadium anywhere in the world for spectators, visitors and the wider community, delivering a major new landmark for Tottenham and London.“

Das ist die erklärte Vision auf der offiziellen Seite zum Stadion. Und aus Marketingsicht dürfte die Arena ein voller Erfolg werden, vor allem wenn die Namensrechte verkauft sind. Der fortschrittliche Einsatz von digitalen Technologien mag ebenfalls zukunftsweisend sein, denn er ist auf viele Publika zugeschnitten. Trotzdem wirkt die Vision auch wie eine Gratwanderung. Denn wo „spectators“ statt Fans an erster Stelle stehen, kann sich der Fokus schnell auf eine Zielgruppe richten, die den die hard-Fans der Spurs wenig schmecken könnte. Firmenkunden, Touristen, Celebrities usw. könnten das Stadion als place to be nutzen – das würde jedoch die Atmosphäre drücken. Die Bindung zu den loyalsten Fans steht derzeit ohnehin ein wenig auf der Kippe. Grund sind die stark erhöhten Preise für Saisontickets, die in Anbetracht der Neuerungen nachvollziehbar sind. Das günstigste liegt derzeit bei 795 Pfund. Aber auch diese Tickets sind nur für wenige Fans im obersten Rang erhältlich. Die wirklich interessanten Plätze für die loyalen Supporter liegen im Bereich von 1.000 Pfund – und Europacupspiele sind nicht inbegriffen. Der Unmut der Fans macht sich bereits breit und auch Ex-Tottenham-Star Gary Lineker sieht in diesem Konzept Gefahren für den Fußball.

Ungleiches Match: Stadion mit Zukunft, Fußball mit Vergangenheit

Zur kommenden Saison spielt Tottenham Hotspur also nicht an der White Hart Lane und auch nicht im Wembley, in dem sich das Team nach einigen Startschwierigkeiten fußballerisch inzwischen sichtlich wohl fühlt. Es geht ins neue Stadion, dessen Namen wir sicher bald erfahren werden. Dieses Stadion ist in der Tat eine moderne Vision von Live Sportevents der Extraklasse und zeigt exemplarisch, wie man als Sportverein, als Marke und als Unternehmen sein ursprüngliches Produkt effektiv vermarktet und monetarisiert. Der digitale und gerade auch mobile Fortschritt ist dabei ein zukunftsträchtiger und lukrativer Engagementfaktor – allein bei YouTube werden massenhaft Videos zum Stadionbau und zu den neuen Features fürs Branding genutzt.

Aspekte wie diese werden viele Vereine der Fußballbühne in Zukunft näher betrachten und weitere Partnerschaften mit Technologie- und IT-Unternehmen eingehen, um den Besuchern ein bestmögliches All Round Fußballerlebnis Plus zu liefern. Die Loslösung von den eher nostalgisch veranlagten Fußballfans, die „nur“ das Spiel sehen wollen, 90 Minuten Leidenschaft ihrer Mannschaft, läuft jedoch als Gefahr mit. Diesen Drahtseilakt müssen die Klubs wohl künftig bewältigen. Denn die Digitalisierung macht vor dem Fußball und seinen Stadien nicht Halt; aber die Fans wollen weiterhin zumindest ein wenig ihres alten Stadionfeelings konservieren. Und gerade sie dürfen nicht vergessen werden, wenn Teams wie Tottenham Hotspur weiter für ihren Fußball bekannt bleiben möchten und nicht nur für ihr Stadion.

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