Für eine immer detailreichere und effektivere Analyse von Trainingseinheiten und Spielen nutzen Fußballvereine im digitalen Zeitalter ganz besondere, innovative Methoden. Dank dieser, von denen Inside The Game schon einige vorgestellt hat, können genauere Daten zu individuellen Leistungen oder etwa der taktischen Disziplin erhoben und gewinnbringend ausgewertet werden. Gerade für das Spiel ohne Ball stellt eine solche Datenerhebung eine Herausforderung dar. Doch einige Teams haben eine Lösung gefunden: Drohnen.
Das Training mit Drohnen analysieren: Pioniere des technologischen Fortschritts in der Fußballanalyse
Die Einsatzmöglichkeiten für Drohnen sind bekanntlich überaus vielfältig. Und inzwischen haben sie auch bei dem doch sehr traditionsverhafteten Fußball Einzug gehalten. Langsam, aber sicher nehmen technologische Neuerungen mehr Einfluss auf das Spiel. Sei es der Videoschiedsrichter oder die Hawk-Eye-Technologie. Auch im Stadion werden die Fans mit immer mehr digitalen Touchpoints konfrontiert, während virtualisierte 3D-Teppiche und Banden für mehr Werbepotential bei der Übertragung sorgen.
Für die Analyse der einzelnen Leistungen von Spielern oder von auf das Team bezogenen Aspekten, wie etwa beim Verschieben, bedarf es zunächst eines guten, fachmännischen Auges. Allerdings offenbart sich dank der Drohnen die Möglichkeit, die Betrachtung solcher Vorgänge im Training aus ganz neuen Perspektiven zu erfahren. Dabei kann der Trainerstab Optimierungspotential bei einer taktischen Ausrichtung erkennen und in Bezug auf diese Erkenntnisse punktuell, mitunter nur marginal nachjustieren. Auf diese Weise sollten für den Wettbewerb nach und nach Vorteile entwickelt werden. Schließlich lassen sich die Erfolge mit den Aufnahmen der Drohne kontinuierlich dokumentieren. Sodass Spieler wie Trainer mit einem geschärften Blick auf das eigene Spielverhalten reagieren können.
Schon der ehemalige Werder Bremen-Trainer Alexander Nouri hat in einem Interview mit den Kollegen von Transfermarkt.de betont, wie beeindruckend die Drohnen bei der Videoanalyse der Seattle Sounders aus der MLS beispielsweise beim Torabschluss eingesetzt werden. Als einer der Pionierclubs in diesem Bereich fungiert auch Charlton Athletic, das derzeit in Englands dritthöchster Spielklasse, der League One, zuhause ist. David Powderly gehört zum dortigen Trainerteam der Jugendcoaches – und hat die Drohne als Analysetool nicht nur eingeführt, sondern auch für andere Vereine interessant gemacht. Er selbst hat an einem Kurs für unbemannte Luftfahrt teilgenommen und den entsprechenden Test – inklusive Zertifikat der Civil Aviation Authority Großbritanniens – absolviert. Daraufhin musste er seinen Arbeitgeber von der Nützlichkeit der Drohne, die er zunächst selbst kaufte, überzeugen; was ihm gelang. Seither wird bei den Addicks die Drohne eingesetzt, um das Training zu optimieren.
https://youtu.be/ZuHiqLCCpEk
Und nicht nur dort. Denn Powderly gründete bald darauf eine Art Consultingfirma, mit der er durch Großbritannien und Europa reist, um die Vorzüge der drohnenbasierten Trainingsanalyse vorzustellen. Mit DPY Productions wurde etwa der FC Liverpool, die Tottenham Hotspurs, Feyenoord Rotterdam oder Espanyol Barcelona besucht.
It's been a busy week visiting clubs whilst working on the content for our elearning course for analysts and coaches.
This short clip highlights a potential issue for teams focusing on stopping their opponents centrally. @ChyronHego @PlanItCoach @Coachingfamily pic.twitter.com/lyolOLiutt
— DPY PRODUCTIONS (@dpyproductions) February 16, 2018
Während Liverpools Chefanalyst für die gegnerischen Mannschaften, Harrison Kingston, die Leistung zusammenfasst:
„Due to constraints on the training ground DPY Productions enabled us to gain excellent angles in training to aid our tactical sessions“,
gibt das folgende Video einen Eindruck vom Besuch in Rotterdam:
https://youtu.be/phZ-kGD1Y0M
Außerdem sollen E-Learning-Kurse bei DPY angeboten werden.
Bei Charlton Athletic selbst arbeitete auch Ex-Trainer Karl Robinson mit der Technologie der Drohne. Nach einiger Skepsis sah er ebenfalls viel Potential in diesem Trainingstool. So erklärte er zu Beginn des Jahres bei SkySports:
„Some of our players are very visual learners. Jay Dasilva, for instance, captain of England U19s in the summer and a top young player on loan here from Chelsea, he will look at this and learn more from this. He’ll start to understand how much space there is in this zone. He’s not only just done it in training but he’s recapping and going over it again with this. It’s also a great motivational tool.“
Gerade die räumliche Flexibilität der Drohne macht sie für die Anforderungen der Analyse im Trainingsbetrieb so wertvoll; vor allem im Vergleich zu den statisch installierten Kameras. Robinson meint, dass ein Verein dank dieser Technologie seine Spieler – und nebenbei auch die Trainer – besser machen kann. Denn Räume, die man zuvor nicht gesehen hatte, eröffnen sich Trainern und Spielern. Damit werden Angriffs- oder Defensivoptionen für die Spielsituation ersichtlich, die somit angepasst werden können. Die Formation, beispielsweise auch des Gegners, kann konkret und minutiös analysiert und auf Schwachstellen hin geprüft werden. Die Möglichkeiten scheinen umfassend zu sein.
Die Drohnen haben künftig noch mehr Potential
Doch das Potential der Drohnen ist bis dato noch nicht ausgeschöpft. Vielleicht können sie künftig auch bei Spielen eingesetzt werden. Derzeit ist für die handelsüblichen Drohnen jedoch die maximale Flugzeit bei nur etwas über einer halben Stunde angesiedelt, obwohl es bereits mit Halteseilen verbundene Geräte gibt, die darüber eine extrem lange Flugzeit haben. Sobald hier deutliche Fortschritte gemacht werden, sind Spielanalysen im Ganzen wohl irgendwann keine Seltenheit mehr.
Dennoch müssen klare Regeln von den Piloten beachtet werden. Die Flugobjekte dürfen eine minimale Flughöhe von 50 Fuß (etwa 15 Meter) nicht unterschreiten und nicht über 400 Fuß (etwa 122 Meter) fliegen. Powderly selbst hält 50 Meter Entfernung für optimal. Momentan gibt es neben ihm nur wenige Drohnenpiloten im Fußball; was sich allerdings auch ändern dürfte. Vor allem, wenn die Optionen für die Analyse noch ausgeweitet werden. Hier hat Powderly bereits verschiedene Wege gefunden, um die Videobilder, die per SD-Karte nachgeschaut oder auch live übertragen werden können, weitergehend zu nutzen. Mit einem Tool wie Paint von ChyronHego können die Bilder untermalt werden, wie wir es von den Analysen bei Sportübertragungen kennen. Powderly hat ebenfalls das israelische StartUp ClearVuze kontaktiert, wie SportTechie berichtet. Dieses liefert Trackingdaten der Videobilder, die auf visuellen Algorithmen basieren. Speziell für Drohnenbilder wird diese Lösung zum besseren Verständnis der Aufnahmen bereitgestellt.
All diese Entwicklungen bedeuten für den Fußball einen weiteren Schritt in die technologische Innovation.
„It enables us a football club to move forward“,
erklärte Robinson bei SkySports. Und tatsächlich lassen sich die Impulse, die die Drohnen für die Analyse schon jetzt, aber besonders künftig zu geben imstande sind und sein werden, deutlich erkennen. Je mehr sich diese Technologie auf Trainingsplätzen etabliert, desto eher wird es bei professionellen Clubs auch Drohnenpiloten im Trainerstab brauchen, die für die Anforderungen dieser Maschinen ausgebildet sind. Das klingt erstmal ähnlich befremdlich wie das Geräusch der Drohne, an das sich die Spieler beim Training gewöhnen müssten. Doch dass es vermehrt zur Drohnennutzung kommen düfte, zeigt sich schon jetzt. Nicht nur, dass Vereine wie der FC Everton schon vor knapp drei Jahren damit operierten, auch Swansea City, ADO Den Haag, die TuS Hoffenheim oder die Walisische FA nutzen inzwischen derartige Geräte. Und dank der Vorträge von David Powderly sind nunmehr weitere Clubs interessiert, die den Briten mit seiner Firma eingeladen haben und zum Teil bereits als Klienten gewonnen werden konnten. Darunter auch Ajax Amsterdam und der FC Barcelona; ihrerseits Vorreiter auf dem Gebiet der stetigen Optimierung und Neu-Erfindung der eigenen Trainingsmoral vom jüngsten Team bis hin zu den Superstars.
Um auch die feinsten Nuancen des Positionsspiels, der taktischen Ausrichtung, der Kontersituationen und dergleichen mehr zu perfektionieren, können die Drohnen einen relevanten Beitrag leisten. Daher sind die Vereine, die hier noch keine Investitionen geplant haben, zumindest angehalten sich einmal mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Denn diese sollten sich mit den rasanten Entwicklungen im technologischen Bereich ebenso zügig erweitern. Dank all der Perspektiven, die die Drohnen bei der Analyse im Fußball bieten, wird nicht nur das Spiel verbessert, sondern zugleich eine neue, bessere Über-Sicht im Fußball überhaupt geschaffen. Wer hier den Mut zur Technologie hat, investiert in die Zukunft – und das auch auf dem Platz.
David Powderly, innovativer Trainer und Vorreiter bei der optimierten Drohnenanalyse im Fußball, Screenshot YouTube, © DPY Productions
Für die Entwicklung auf diesem Gebiet gebührt letztlich David Powderly, dem Jugendcoach bei Charlton Athletic, der auf eigene Faust die technische und die fußballerische Innovation zusammenbrachte und förderte, großer Respekt und das letzte Wort, das auch die Traditionalisten unter den Fans beruhigen sollte:
„The main thing is the coaching on the grass, but this is another tool to aid their development.“