Stadien im Wandel – Digitales Ticketing und All-Round Entertainment setzen den Fokus neu

Die Stadien sind die Arenen, wo der Fußball als würdiges Event ausgetragen wird: Kampf um jeden Zentimeter Rasen, das Gegenüber auch mal verfeindeter Teams und Fangruppen, die Ikonen und Stars des Sports im Flutlicht, ja im Scheinwerferlicht. Doch so sehr diese Arenen – Anfield Road, das San Siro oder der Signal Iduna Park – einen Reiz ausüben, so wenig sind sie oft für ein digitales Entertainment-Zeitalter ausgelegt. Neue Stadien setzen hier Standards, die den Anforderungen neuer Generationen von Fans entgegenkommen und Besuche zum ganzheitlichen Abenteuer machen. Die Zeit altmodischer Karten als Tickets und einer eindimensionalen Seherfahrung scheint vorüber. Werden Arenen nun zu Multimedia-Schauplätzen?

Die neuen Stadien weisen den Weg: Minnesota, London und Co.

Tottenham Hotspur ist sicherlich eins der berühmtesten Beispiele für einen klaren Schnitt. Die altehrwürdige Spielstätte White Hart Lane wurde abgerissen, um dem hochmodernen Tottenham Hotspur Stadium zu weichen. Damit will der Verein seiner seit Jahren aufsteigenden Formkurve auch abseits des Platzes eine gebotene Rahmung verschaffen. Die Features, das Design, die digitalen Möglichkeiten sowie die unabhängig vom Fußall ermöglichte umfassende Nutzung des Stadions, all das ist ein Fingerzeig in die Welt der Stadien von morgen.

Das neue Stadion der Spurs setzt innen und außen Maßstäbe, © Tottenham Hotspur

Allerdings zeigt gerade dieses Projekt ebenfalls, wie problematisch so ein Neubau zunächst ist, da sich die Eröffnung deutlich verzögern kann. Neben extremen Kosten spielt der Bruch mit einer gewissen Tradition ebenso eine Rolle.

Nichtsdestotrotz sind moderne neue Stadien, oder zumindest stark modernisierte, in Zukunft wohl unerlässlich für wirtschaftlichen Erfolg. Ein Beispiel liefert der MLS-Club Minnesota United. Erst 2015 in die Liga eingetreten, war die Fanbase erwartungsgemäß klein. Für März 2019 aber ist die Eröffnung des neuen eigenen Stadions, des Allianz Field, geplant. Um sich in einer Stadt, wo die Menschen vielmehr den Minnesota Vikings (Football), den Minnesota Timberwolves (Basketball) oder den Minnesota Twins (Baseball) folgen, einen Fußballverein erfolgreich zu etablieren, hat man sich ganz der Digitalisierung verschrieben. Ab der Eröffnung des Stadions, das berichtet SportsPro, wird es dort keine herkömmlichen Tickets mehr geben. Stattdessen existiert ein völlig digitales Ticketing-System. Den Fans wurden für das neue Stadion 360 Grad-Sichten von jedem einzelnen Platz geboten und überhaupt gab der Verein viele Details, virtuelle Touren etc. über die neue Arena preis. Vor allem der Empfang und das WLAN dürften heute sehr wichtig sein, auch ein durchsichtiger Schutzschirm, der 85 Prozent der Besucher von Sonne und Regen schützen soll, ist eine starke Neuerung.

Noch ist das Allianz Field eine Baustelle, Screenshot YouTube, © Minnesota United FC

Der größte Vorteil des neuen Allianz Field ist die enge Verbindung zur Technologie.

„As part of this, we knew we wanted to build a completely digital experience to show everyone something that they haven’t seen before and just let the momentum take us all the way into the [new] stadium […] Our corporate partners absolutely loved it [because] we had created a full experience you can have on an iPad and were excited to see what we were doing with the technology. They felt like our stadium was already there,“

erklärt Jeanene Valentine, Director of Ticket Sales bei Minnesota United. Mit dieser Strategie steigerte der junge MLS-Verein die Zahl der Dauerkartenbesitzer von 4.000 auf stolze 14.500. Und das bei einem Stadion, dass nur 19.400 Plätze bietet. Ob das Stadion pünktlich zur neuen Saison fertig wird, anders als bei den Spurs, bleibt abzuwarten. Jedenfalls können sich die tausenden Dauerkartenkäufer auf eine digitale und zukunftsgerichtete Spielstätte freuen. Zu bemerken sei an dieser Stelle, dass für den Nebau solch immenser Stadien mit all ihrer Technologie und ihren attraktiven Features oft ein zahlungskräftiger Sponsor benötigt wird. Die Allianz – auch Namensgeber der Arena in München und Turin – hat hier seinen Namen und Gelder bereitgestellt, während Tottenham Hotspur die Namensrechte für die neue Spielstätte womöglich auch verkaufen wird. Das ist äußerst lukrativ, zeigt jedoch genauso die immer größere Verzahnung von Vereinen und Partnerunternehmen, bei der manch traditionelles Moment eingebüßt werden wird.

Andere Vereine werden modernisieren

Ein gänzlich neues Stadion ist für viele Vereine schwer zu realisieren und oft gar nicht notwendig. Juventus Turin hat es getan, schon vor vielen Jahren der FC Bayern München oder Schalke 04. Das neue Franchise von David Beckham, Inter Miami, wird verständlicherweise ebenfalls ein neues Stadion erhalten. Auch hier genießt All Round-Entertainment höchste Priorität. Mehrheitseigner Jorge Mas erklärte auf der offiziellen Seite der MLS:

„I want people to spend hours at the game, not to go to the match and just go home.“

Snacks und Drinks aus der Region sollen ebenso ein Alleinstellungsmerkmal sein wie riesige digitale Bildschirme mit Spielszenen auch an den Außenseiten der Arena.

Die Vision des Inter Miami Freedom Park ist futuristisch, Screenshot YouTube, © Club Internaćional De Fútbol

Anders als diese Clubs werden es aber beispielsweise die Mailänder Kultvereine AC und Inter Mailand machen. Seit über 70 Jahren spielen beide im Giuseppe Meazza oder San Siro. Das weltbekannte Stadion soll erhalten bleiben, doch in Abstimmung mit der Stadt vollkommen modernisiert werden, wie SportsSpors Nick Friend berichtet.

Viele Vereine müssen sich inzwischen der Frage stellen, wie auch Digital Natives, beeinflusst durch die Konkurrenzsportart eSports, durch einen zusehends digitalisierten Alltag und damit unausweichlich abhängig vom digitalen Lifestyle, zu zahlenden und regelmäßigen Stadiongängern gemacht werden können. Denn es scheint, dass die Anziehungskraft des Stadionbesuchs allein, nur um sein Team spielen zu sehen, geringer wird. Was können die Clubs tun, um ihre Spielstätte modern zu gestalten?

Neuerungen, die künftig zum Standard werden dürften

Der Blog OEMKIOSKS zählt einige Aspekte auf, die uns in modernen Stadien zum Teil schon begegnen, in den kommenden Jahren aber sicher zur normalen Ausstattung gehören werden. Dabei ist Digital Signage ein erster wichtiger Standard. Schon heute in Bahnhöfen, Foyers etc. zu finden, helfen LED-Bildschirme die Interaktion mit den Besuchern auf digitaler Ebene zu stärken. Hier können nicht nur interaktive Self Service-Kiosks integriert werden, sondern die Bildschirme bieten ganz neues Inventar, das werblich monetarisiert werden kann. Genau diesen Weg könnten Clubs auch einschlagen, wenn VIP-Bereiche oder speziell initiierte Fan-Zonen mit zusätzlichen digitalen Bildschirmen ausgestattet werden.

Im Check In-Bereich können ebenso digitale Mechanismen eingesetzt werden, um konkrete Zahlen zur Auslastung zu ermöglichen und einfach eine moderne Möglichkeit der Eingangskontrolle zu gewährleisten. Darüber hinaus bieten Plattformen wie ClusterWall die Option über die digitalen Bildschirme Interaktionen zu starten. Das kann auch intern für die Kommunikation zwischen Team-Personal und Stadion-Mitarbeitern, zwischen Trainern und Club-Chefs usw. genutzt werden.

Im Stadion der Spurs wird dank Partner Hewlett Packard überall WLAN sein, Beacons prüfen die Aktivitäten der User. Personalisierte Push-Nachrichten sind die Folge. Das ganze Stadion wird zur Cashless-Area.

Marc Waters, Managing Director für das Vereinigte Königreich und Irland bei HP Enterprises stell heraus:

„Tottenham Hotspur realise that being digital from the ground up is imperative to transform its fan experience.“

Stadien werden also künftig Arenen bleiben; aber weniger im Sinne des reinen Fußballgenusses, mehr bezogen auf eine langwierige, ganzheitliche und in jedem Falle völlig digital gesteuerte Experience der Besucher. Das erinnert an die Spektakel-fokussierten Live Sport-Events in den USA und man mag richtig liegen, wenn vermutet wird, dass hier Freunde solchen Spektakels gegenüber den traditionelleren Fans priorisiert werden. Wohl auch, weil sie mehr Gewinn bedeuten. Die Stadien der Zukunft werden aber nicht nur im wirtschaftlichen Kontext gebaut oder modernisiert, sie werden auf Gewinnmaximierung ausgelegt, die mit den Eignern oder Partnern in Verbindung steht. Das Fußballspiel bleibt das zentrale Event, wird jedoch multimedial und auf allen Kanälen aufgebauscht. Das ist die Realität kommender Fußballerfahrung. Sie wird Stück für Stück kommen; und wer sich mit dem Gedanken nicht anfreunden kann, muss wohl oder übel dort Fußball rezipieren, wo Digitalisierung und Gewinnoptimierung noch ein Stück weiter in der Ferne liegen. Der Wandel aber ist stetig, im Digitalen oft sogar rasant.

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