Unter der Führung von Uli Hoeneß hatte der FC Bayern eine ganz klare Haltung, was das Mitmischen im eSport angeht. Eine eSport Mannschaft seines Vereins kam für den 67-jährigen überhaupt nicht in Frage. Für ihn ist eSport kein richtiger Sport und die junge Generation sollte ihre Zeit nicht vor den Bildschirmen verschwenden, sondern lieber draußen spielen. Das ist sicherlich keine ungewöhnliche Haltung für einen Mann seines Alters, aber für den Boss eines Fußballbundesligisten ist es doch sehr kurz gedacht.
Das macht sich allein daran bemerkbar, dass der FC Bayern momentan einer von nur fünf Bundesligisten ist, der keine eSport-Sparte betreibt. In Freiburg, Düsseldorf, Hoffenheim und Dortmund hält man sich ebenfalls zurück, was dieses Thema betrifft. Nur sollte eigentlich allen Verantwortlichen dieser Vereine das Potenzial des eSports bewusst sein. Keine andere Sportart auf der Welt hat einen derart rasanten Aufstieg genommen. Während es normalerweise Jahrzehnte dauert, bis eine Sportart in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, hat der eSport nur wenige Jahre gebraucht, um unzählige Menschen überall auf der Welt zu begeistern.
Sport oder kein Sport? Das ist hier nicht die Frage.
Dabei ist es völlig irrelevant, ob Herr Hoeneß oder der Deutsche Olympische Sportbund oder wer auch immer eSport nicht als richtigen Sport anerkennt. Worauf es ankommt, sind die Zuschauer und die gibt es zuhauf. Viele Zuschauer bedeuten, dass eine Menge Geld im Spiel ist. Was wiederum dazu führt, dass möglichst viele etwas von diesem Geld abhaben möchten. Doch der FC Bayern wollte dies bisher, aus welchen Gründen auch immer, nicht. Nun hat sich jedoch eine entscheidende Komponente verändert: Uli Hoeneß ist nicht mehr Präsident des FC Bayern.
Es scheint so, als hätten einige Verantwortliche der Münchener nur auf den Abgang von Hoeneß gewartet, um dann zukunftsfähige Planungen voranzutreiben, die dem eigenwilligen Präsidenten nicht gefallen hätten. Nun, nicht einmal drei Wochen nach der Ära-Hoeneß, hat Karl-Heinz Rummenigge erstmals bestätigt, sich intensiv mit dem Thema eSport auseinanderzusetzen.
PES statt FIFA
Interessanterweise strebt der Verein ein Engagement im Spiel Pro Evolution Soccer an. Dieses steht seit jeher im Schatten der großen Fußballsimulation FIFA. Auch im eSport hat FIFA aktuell klar die Nase vorn. Dabei werden momentan im Fußballbereich des eSport Weltmeisterschaften und auch einzelne Ligen, wie die eSport Liga der DFL, in FIFA ausgetragen. Doch die Entscheidung für PES und gegen FIFA hat einen einfachen Grund.
Den FC Bayern verbindet eine enge Partnerschaft mit dem Spiel von Konami. In diesem Jahr ist die Allianz Arena sogar erstmals exklusiv in PES enthalten und nicht mehr in FIFA. Die Partnerschaft soll durch den Einstieg in den eSport intensiviert werden. Wenngleich dabei definitiv das Potenzial, das von einem Einstieg in FIFA ausgeht, missachtet wird.
Fußball ist nur die Spitze des Eisbergs
Andere Vereine wie der FC Schalke sind schon lange einen Schritt weiter. Für Schalke endet der eSport nicht mit Fußballsimulationen. Der Verein kaufte sich auch einen Startplatz in der europäischen Top-Liga von League of Legends. Das MOBA-Game ist eines der erfolgreichsten eSport-Spiele überhaupt. Deshalb ist ein Einstieg in ein derartiges Spiel nur die logische Konsequenz, wenn man wirklich im eSport mitmischen möchte.
Der Einstieg des FC Bayern in dieses Feld lässt wahrscheinlich noch etwas auf sich warten. Aber durch den Vorstoß in Pro Evolution Soccer ist ein erster Schritt getan. Der Branchenprimus der Bundesliga scheint offener für innovative Ideen zu sein, seitdem ein alter, weißer Mann weniger an der Spitze ist. Uli Hoeneß hat den FC Bayern zu dem gemacht, was er heute ist, sein Rückzug ist zum jetzigen Zeitpunkt ein wichtiger Schritt für den Verein.