Gute „Techniker“ gesucht – auch abseits des Platzes: Wie Hack Days und Innovation Labs den modernen Fußball vorantreiben

Die Fußballfans weltweit erfreuen sich an der bemerkenswerten Technik, wie sie ein Lionel Messi, Eden Hazard oder Neymar mitbringen. Bewundert werden auf dem Platz auch die die Fähigkeiten eines Spielmachers wie Christian Eriksen, Toni Kroos oder Andrés Iniesta, um ein Spiel mit strategischen Entscheidungen zu lenken und zu diktieren. Doch so wertvoll diese Spieler für einen Verein und seine Außenwirkung auch sind, im Hintergrund benötigt jeder Verein neue Ideen, die helfen den steigenden Anforderungen an einen modernen und innovativen Fußballclub gerecht zu werden. Und damit die Optimierung von Aspekten wie dem Fanerlebnis, der Verzahnung von Online-Präsenz und Sichtbarkeit von Werbepartnern oder schlichtweg der Produktvermarktung eine Multiperspektivität erlangt, eignen sich Hackathons und Hack Days oder Innovation Labs im Umfeld des Vereins, sodass nicht nur das Know-How und die Schaffenskraft externer Entwickler gewonnen werden kann, sondern ebenso ein Image, das als zukunftsgewandt Gefallen findet – und darüber hinaus auch Potential für reale Wettbewerbsvorteile birgt.

Hack Days wie ein Probetraining: Mit den besten Ideen wird gearbeitet

Viele Fußballvereine verfügen durchaus über eine IT-Abteilung und sind personell auch für die Social Media gut besetzt. Dennoch schauen die Clubs längst außerhalb des unmittelbaren Einzugsgebiets nach neuen Ideen; genau wie bei der Spielerwerbung, insbesondere im Nachwuchsbereich. Damit auch die technologische Zukunft der Vereine innovative Anreize erhält, sind beispielsweise Hack Days oder Hackathons gern genutzte Schnittstellen für die Kooperation von Fußballmarken und Soft- oder gar Hardwareentwicklern.

In der Bundesliga war diesen Januar der FC Bayern München der erste Verein, der einen Hackathon veranstaltete. Bei solchen Events treffen vor allem Entwickler als Teilnehmer auf die Veranstalter. Allerdings waren bei den Hack Days der Bayern Designer, Entrepreneure, aber auch einfach Fans gern gesehen. Der FCB hatte mit unternehmertum, dem Center Innovation and Business Creation an der TU München und seinen Partnern DHL, Siemens, Adidas, T-Online, Audi und SAP die FC Bayern Hack Days veranstaltet. Dabei kamen über 220 Teilnehmer aus 43 Nationen zum Event. Die Mission der Veranstaltung wurde auf der Website der Bayern deutlich gemacht:

„Fan-Erlebnisse und –Services neu denken. Innovationen und neuen Technologien im und außerhalb des Stadions ausprobieren und anwenden. Die Faszination unseres Vereins durch Technologie und digitale Infrastruktur noch lebendiger machen.“


FCB Hackathon-Teilnehmer mit Vereinslegende Giovane Elber, Screenshot YouTube, © FC Bayern München

Über vier Tage gab es Hacking – sogar Live Hacking zum Spiel gegen Werder Bremen am 21.01.2018 – und verschiedene Challenges. Das ganze fand in einem Workspace in der Allianz Arena statt. Zu gewinnen war für die Teilnehmer einerseits eine Auswärtsreise zu einem Spiel des FC Bayern in der Champions League. Andererseits winkt bei solchen Events auch stets die Möglichkeit, dass eine Erfindung, ein Gadget der Teilnehmer oder eine Idee Eingang in die Strukturen der Vereinsstrategien findet und dann durch hunderttausende Fans genutzt wird.

So gab es bei FCB Hackathon sieben unterschiedliche Challenges, die widerspiegeln, in welchen Bereichen sich Vereine durch derartige Events Innovationen erhoffen dürfen. Bei der Telekom Challenge ging es etwa darum, neue Mixed Reality-Angebote (AR und VR) für die FC Bayern Community zu entwickeln, während bei der Audi Challenge das Auto in das Fanerlebnis integriert werden sollte. Bei der Adidas Challenge wiederum standen die mobile Interaktion und der Verkauf von Merchandise im Fokus, vor allem mit Blick auf die Generation Z. Auch die SAP Challenge drehte sich um digitale Maßnahmen, allerdings im Bereich innovativer Fanaktivierung.

 

Zu Gast waren bei der Veranstaltung neben den zahlreichen Teilnehmern und früheren FCB-Profis auch Vereinsverantwortliche wie Karl-Heinz Rummenigge oder Stefan Mennerich, der Director Media, Digital und Communication bei den Bayern. Dazu kamen als Speaker auch Googles Purnima Kochikar, Director Google Play, Apps und Games, Tim Jacobi als Partnerentwickler von Facebook, oder etwa Joel Spolsky, der CEO der renommierten Entwicklerplattform Stack Overflow. Damit waren die Hack Days für den Verein nicht nur ein branchenübergreifend medienwirksames Event, sondern auch ein Vorstoß in der Zusammenarbeit mit überregionalen und internationalen Tech-Partnern. Der Verein postete bei YouTube ein Video, der die Eindrücke nochmal zusammenfasst.

Dass mit den besten Ideen tatsächlich auch von Vereinsseite gearbeitet wird, zeigt das Beispiel von Manchester City. Unter dem Hashtag #Hackmancity wurde im letzten Jahr dort ein Fan Engagement Hack veranstaltet. Bei City’s bereits zweitem Hackathon, der von Google unterstützt wurde, stand ganz besonders das Fanerlebnis im Vordergrund.


Hackathon bei Manchester City, © Manchester City

Wie sich herausstellte, sollte ManCity eine Innovation dieses Hackathons für die eigene App nutzen. Twitter-Nutzerin Sue Irving gab per Tweet bekannt, dass City für die im August 2017 eingeführte Plattform für Fan Engagement, CITYZENS, auf eine Idee eines Hacker-Teams des letzten Hackathons des Vereins zurückgegriffen hat.

Das Social Media-Feedback auf solche in der Vereinsstrategie verwirklichten Innovationen lässt erahnen, dass sich viele Fans diese Art der Kooperation auch von ihrem Verein wünschen; sofern er noch kein großes Engagement in Sachen Hack Days oder Innovation Labs zeigt.

 

Und einige Vereine haben sich inzwischen weiterführend engagiert. Der FC Chelsea London hat jüngst einen Smart Stadia Hackathon veranstaltet. Dabei haben zwei Studenten der Londoner Loughborough University etwa ein Produktkonzept namens LAVA vorgestellt, das als In-the-Moment-Plattform fungiert. Hiermit soll der Verein die Chance bekommen, einigen Fans spontan über die verknüpften Endgeräte Vergünstigungen anzubieten, wenn beispielsweise deren Lieblingsspieler ein Tor erzielt. Oder aber der Verein zahlt einem über sein mobiles Ticket

zufällig ausgewählten Fan die Anfahrt zum Spiel. Im Blog der Universität wird dieses und ein weiteres Produkt vorgestellt; und das Konzept LAVA hat bei den Sacramento Kings in der NBA bereits Einzug gehalten und das Fanerlebnis positiv verändert.

Innovation Labs: Hier wird mit Start Ups die Zukunft geschmiedet

Neben den Hack Days, die meist nur ein Wochenende umfassen, organisieren andere Vereine allerdings auch sogenannte Innovation Labs. Hierbei soll die Kooperation mit innovativen Unternehmen, oft Start Ups, dazu führen das Fanerlebnis zu verbessern, aber auch die Partnerschaftsangebote des Vereins zu überholen.

Ein sehr gutes Beispiel für diese Form des offensiv angestrebten Fortschritts bietet ein anderer Verein aus London, der FC Arsenal. Das Innovation Lab von Arsenal ist in Zusammenarbeit mit den Innovationsexperten von L Marks entstanden. In einem zehnwöchigen Programm wurden dabei letztlich sechs Start Ups ausgewählt, die ihre Lösungen nunmehr zusammen mit dem Verein entwickeln können. Vinai Venkatesham, Arsenals Chief Commercial Officer, meint dazu:

„We have worked with six very exciting start-ups over the last ten weeks and they have come up with some fascinating ideas which could transform some of the things we do with our supporters.

We are always looking to push the club forwards and the Arsenal Innovation Lab has provided us with the opportunity to work with technologists, startups and entrepreneurs who have brought unique perspectives for us to consider.“

Wie auch Prolific North berichtete, hat beispielsweise das Data-Analyse-Unternehmen Peak eine vorläufige Partnerschaft mit Arsenal London ergattert. Das Unternehmen konnte während der zehn Wochen des Innovation Labs mit Daten und AI überzeugen, die dem Verein ein tieferes Verständnis darüber ermöglichen, welche Faktoren die Besucher der Website Arsenal.com beim Zugriff auf die Seite beeinflussten. Bisher hat Peak bereits über 3,5 Millionen Pfund an Finanzierung für ihren Service erhalten und zählt zum Beispiel den Publisher The Economist zu seinen Kunden.

Auch das französische Start Up BotNation ist Teil der Partnerschaft. Das Unternehmen zeichnet für AI-basierte Chatbots verantwortlich und konnte den Verein Arsenal bereits bei den Verkäufen im E-Commerce-Store unterstützen. 700 Unternehmen in 53 Nationen nutzen schon Lösungen von BotNation. Ein weiteres Start Up, mit dem Arsenal durch das Innovation Lab in eine Partnerschaft getreten ist, stellt Aireal dar. Dabei ist Aireal eine raumbezogene AR-Plattform, die über Mobile verfügbar ist. Diese Plattform vermag statische oder bewegliche 3D-Objekte irgendwo in der Welt zu platzieren. Im Falle von Arsenal also etwa Trophäen oder Spieler als 3D-Äquivalent. Damit eröffnen sich weltweit Interaktionsmöglichkeiten für die Fans und mit den Fans.

https://youtu.be/x4gwmPP_63o

Welche Start Ups außerdem für Arsenal Londons Innovation Lab gewählt wurden, kann auf der Website desselben nachgelesen werden. Allerdings scheinen solche Zusammenkünfte für beide Seiten lukrativ und förderlich. Während der Verein aus London das Engagement der Fans steigern oder die Aktualität der digitalen Lösungen für die Website, die App oder gar das Stadion gewährleisten kann, stecken für die innovativen Tech-Unternehmen viele Potentiale in der Zusammenarbeit mit einer so großen Marke.


Vorteile des Arsenal Innovation Lab für Unternehmen mit Ideen, © Arsenal London

Wie solche Kooperationen auch hierzulande aussehen können, zeigt ein weiterer digitaler Vorreiter aus der Bundesliga: die TSG 1899 Hoffenheim.

Zusammenarbeit mit Mannheim Business School: Digitale Projekte voranbringen

Im vergangenen Sommer hat sich der Verein aus dem Kraichgau mit der Mannheim Business School zusammengeschlossen, um „auf den Feldern Forschung, Lehre und Wissenstransfer“ eng zusammenzuarbeiten, sodass die TSG im Bereich der Digitalisierung und auch Internationalisierung Pionierarbeit leisten kann. Das geht aus der Mitteilung des Vereins hervor. Demnach fokussiert die Kooperation vor allem digitale Forschungs- und Trainingseinrichtungen der TSG Hoffenheim. Das Magazin match plan berichtet ebenso von der Einführung des Research Labs des Vereins, welches die Kooperation mit der MBS noch erweitern soll. Für die Arbeit in diesem Innovationszentrum sollen sogar Gelder der EU und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beantragt werden. Mit solchen Fördermitteln ließen sich durchaus weitere Lösungen finanzieren, die die digitale Vereinsstruktur weiter zu optimieren imstande sind. Mit dem Research Lab ist eine weitere Voraussetzung geschaffen.

Eine andere ist dabei sicherlich die Bereitschaft des Vereins und wichtiger Personalien, über technologische Mittel Resultate zu erzielen. Wie Sport.de schon vor Monaten berichtete, werden die Spieler der TSG sogar per App zu Verfassung und Verletzungen überprüft. So erfasste Daten können künftig im Research Lab wohl noch minutiöser aufbereitet und analysiert werden. Das heißt, dass diese digitalen Innovationen für die Hoffenheimer nicht nur eine Vorreiterrolle bei der Außenwirkung des Vereins in Bezug auf technologischen Fortschritt einnehmen können, sondern womöglich gar messbare Ergebnisse auf dem Platz liefern dürften.

Innovationen müssen Potentiale wecken, kein Selbstzweck sein

Wohin führen die Möglichkeiten von Hackathons, Innovation oder Research Labs? Zunächst sei angemerkt, dass es sich – gerade im Fußballumfeld – bei diesen Phänomenen um relativ neue handelt. In Deutschland und bei Bundesliga-Vereinen sind solche Events oder Einrichtungen meist noch Zukunftsmusik oder gerade im Werden. Daher steckt darin für viele Clubs eine Menge Potential. Das heißt, dass sie die Optionen für die eigene Vereinsstrategie prüfen sollten. Dazu muss jedoch eine klare Linie bei den Prioritäten bestehen. Was kann oder möchte ein Verein beispielsweise auf digitaler Ebene optimieren? Für das Fan Engagement oder das Spieltagserlebnis im Stadion gibt es beinah immer noch Luft nach oben. Gerade dann, wenn ein Verein sich darüber klar wird, dass etwa die eigene App noch viel ungenutztes Potential aufweist, können Hack Days im Vereinsumfeld lohnenswert sein. Diese sollten aber mit den entsprechenden Partnern konkret auf ein angestrebtes Ziel hin strukturiert werden, damit sie nicht zum bloßen Trial and Error-Event verkommen. Hierbei müssen, wie es der FC Bayern München mit seinen Partnern schon vorgemacht hat, klare Challenges und Zielsetzungen angeführt werden.

Ähnlich verhält es sich mit einem Research Lab. Nur sofern eine langfristige Strategie vorhanden ist, die die Datenerfassung und -analyse sowie deren Nutzbarmachung für das Training oder für das Marketing umfasst, scheint eine solche Einrichtung sinnvoll. Allerdings gilt auch: jeder Verein im Profifußball, und wohl auch darüber hinaus, sollte sich eher heute als morgen mit digitalen Themen und ihrer Verbindung zum Fußballverein und der Marke beschäftigen. Das kann Vorteile für verschiedenste Aspekte des Vereinsalltags haben: vom personalisierten Training und der Ernährung der Spieler über ein besseres Fanerlebnis dank neuer Zahlmethoden oder mehr globales Engagement aufgrund von technologisch innovativen Plattformen, die den Verein und seine Assets zu den Leuten in aller Welt bringen – siehe Arsenal London und die Zusammenarbeit mit Aireal.

Doch während Hackathons oder Innovation Labs eine zeitliche Begrenzung haben, sollte dieser Umstand Entscheider in Vereinen, bei Start Ups oder ebenso größeren Unternehmen nicht aufhalten, mit guten Ideen zur strategischen Innovation an einen möglichen Partner heranzutreten. Wenn ein Start Up eine Lösung für einen Verein zu haben glaubt, die diesem beispielsweise eine simple Analyseplattform für die Besucher der Vereinswebsite, des Stores und des Stadions anbietet, dann dürfte dieser Verein eine Zusammenarbeit zumindest in Betracht ziehen. Andersherum sollten Clubs, die in technologischen oder digitalen Fragen keine In-House-Lösung parat haben, die Möglichkeit wahrnehmen, um die Schaffenskraft vieler innovativer Entwickler oder Designer und dergleichen für sich zu nutzen, die bei Hack Days gebündelt in Augenschein genommen werden kann.

Unabhängig davon gibt es jedoch viele Möglichkeiten mit den Bereitstellern guter Lösungen in Kontakt zu treten. Selbst hierfür sind innovative Wege wohl künftig gefragt. Denn es scheint in den kommenden Jahren zu einer digitalen Innovationsnotwendigkeit zu kommen. Deshalb sollten die Vereine sich in diesem Bereich genauso um ihre Talentschmiede kümmern wie im sportlichen Nachwuchsbereich. Und womöglich könnte es in Zukunft sogar eine Korrelation geben, wenn auch abseits des Platzes die besten „Techniker“ mit einem bestimmten Verein kooperieren und auf dem Rasen dieses Clubs die feinsten Spielmacher auftreten.

Für Unternehmen und Start Ups mit innovativen Lösungen stehen Partnerschaften und lukrative Arbeitsoptionen im Raum. Es liegt an den Entscheidern und digitalen Wegbereitern beider Welten, die ergebnisorientierte Kommunikation zu suchen und gemeinsam ein modernes Fußballumfeld zu kreieren und voranzutreiben.

 

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