Zum Auskurieren bleibt keine Zeit – morgen bist du spielbereit!

Fußballer auf Schmerzmitteln sind alles andere als eine Ausnahme. Was zunächst wenig schlimm anmutet, kann für die Spieler langfristige Folgen haben.

Ishak Belfodil sorgte zum Ende des Jahres nochmal für ordentlich Zündstoff bei der TSG Hoffenheim. Der seit dem 5. Spieltag verletzte Angreifer beschuldigte seinen Arbeitgeber öffentlich, eine Gefährdung seiner Gesundheit in Kauf genommen zu haben. Grund für diese Anschuldigung ist ein zu spät diagnostizierter Kreuzbandriss.

Kreuzbandriss erkannt und gegen eine OP entschieden?

Bereits am letzten Spieltag der vergangen Saison ist es zu der Verletzung gekommen, doch die Hoffenheimer Ärzte waren nach ansicht der MRT-Bilder der Meinung, dass eine Operation nicht notwendig sei. Belfodil verpasste aufgrund der Verletzung den Afrika Cup im Sommer, aber stand seinem Verein zur neuen Saison wieder zur Verfügung. Nach dem 5. Spieltag und deutlich schlechteren Leistungen als in der Vorsaison entschied sich der Algerier doch zu einer OP.

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Nun macht er den Verein dafür verantwortlich, dass diese OP erst so spät zustande kam und er vorher mit einer derart schweren Verletzung weiterspielte. Die TSG wehrt sich gegen die Vorwürfe und gibt an, dass jegliches Vorgehen in enger Absprache mit Belfodil stattfand und die Ärzte auf Grundlage höchster medizinischer Standards gearbeitet haben. Für den Stürmer reichen diese Standards offensichtlich nicht aus. Er verkündete nämlich außerdem seinen baldigen Abschied aus Hoffenheim, da er kein Vertrauen mehr in den Verein habe.

Inwieweit wirklich medizinisches Fehlverhalten der Ärzte vorlag, lässt sich von außen nicht beurteilen. Nichtsdestotrotz ist die operative Behandlung eines Kreuzband- und Meniskusrisses im Profifußball eigentlich die Methode der Wahl. Zwar kann die fehlende Stabilität im Knie durch ausreichende Obeschenkelmuskulatur kompensiert werden, aber auf lange Sicht ist ein intaktes Kreuzband, gerade für einen Profisportler, essenziell wichtig.

Kurzfristiger Erfolg vs. langfristige Schäden

Dieses Beispiel macht ein großes Problem deutlich, das momentan im Profifußball herrscht. Verletzungen werden häufig nicht adäquat auskuriert und Spieler viel zu früh wieder auf den Platz gestellt. Begründet ist diese Problematik in dem Druck, der vor allem auf den Trainern lastet. So schnell, wie heutzutage ein Trainer seinen Job verliert, kann es sich niemand leisten, dass ein Führungsspieler lange ausfällt. Für die Trainer ist häufig nur das nächste Spiel und der Fitnesszustand eines Spielers am nächsten Samstag wichtig. Was in sechs Monaten, zwei Jahren oder gar 20 Jahren ist, interessiert sie nicht.

Beim FC Bayern führte diese Ignoranz vor einigen Jahren zu einem handfesten Streit zwischen dem langjährigen Teamarzt Dr. Müller-Wolfahrt und Pep Guardiola. Der Spanier machte immer wieder deutlich, dass er seine verletzten Spieler so schnell wie möglich wieder auf dem Platz haben möchte. Müller-Wolfahrt sah sich letztendlich nicht in der Lage, weiter in diesem Umfeld zu arbeiten und verließ den Verein.

In einer derart schwierigen Situation finden sich die Teamärzte der Fußballbundesliga immer häufiger, da die Gesamtzahl der Verletzung in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Gleichzeitig nahm die Dauer der Verletzungszeit aber ab, wie die Daten der Website fußballverletzungen.com belegen. Die Ärzte haben also immer mehr Verletzte, die bestenfalls immer schneller wieder fit werden.

Ein weiteres Problem dabei ist, dass ein Spieler logischerweise auch schnellstmöglich wieder spielen möchte. In Verbindung mit dem Trainer, der das gleiche Anliegen verfolgt, muss der Arzt häufig gegen seinen Patienten und seinen Arbeitgeber anarbeiten.

Schmerzmittel sind nicht die Lösung

Größter Profiteur der ganzen Problematik sind wahrscheinlich die Pharmakonzerne. Denn im Profifußball ist es keine Seltenheit, monatelang auf Schmerzmitteln zu spielen. So tat es auch Stefan Reinartz, der aufgrund zahlreicher Verletzungen bereits mit 27 Jahren seine Karriere beendete. Auch sein ehemaliger Teamkollege Stefan Kießling kennt die Schmerzmittel im Fußball nur zu gut. Er hat sogar heute, nach seinem Karriereende, noch mit chronischen Schmerzen zu kämpfen, die durch nicht richtig auskurierte Verletzungen während seiner aktiven Zeit ausgelöst werden.

Viele Fußballer zahlen nach ihrem Karriereende einen hohen Preis für ihre Profilaufbahn. Zum Beispiel bei Meniskusschäden wird, aufgrund der schnelleren Regeneration, häufig auf die Entfernung von Teilen des Meniskus gesetzt, anstatt diese zu nähen. Kurzfristig ist diese Lösung vielleicht nachvollziehbar, aber in nicht allzu ferner Zukunft haben betroffene Menschen mit chronischen Knieproblemen zu kämpfen.

Nicht nur in Bezug auf Transfers, sondern auch auf die körperliche Fitness werden Fußballprofis heutzutage mehr und mehr wie Objekte behandelt, die für den Gewinn des Unternehmens entscheidend sind. Dass jedoch jeder Profi auch immer noch ein Mensch ist, scheint langsam in Vergessenheit zu geraten. Diese ungesunde Dynamik sollte schnellstmöglich gestoppt werden, damit die wichtigsten Bestandteile des Fußballs, die Spieler, nicht physisch und psychisch kaputt gehen.

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