Der Einstand von Erling Braut Haaland beim BVB gleicht einer Märchengeschichte – zweimal eingewechselt, erzielte der Norweger fünf Tore in nur 57 Minuten. Haaland ist ein Stürmer, wie er im Buche steht: Großgewachsen, schnell und unglaublich Abschlussstark. Hinzu kommt eine technische Finesse, die vom modernen Angreifer erwartet wird. Jetzt muss der Shootingstar der Bundesliga seine gezeigten Leistungen im weiteren Saisonverlauf bestätigen, dann hat er das Zeug zum Weltklassestürmer.
Lucas Barrios und Robert Lewandowski
Das Besondere ist, dass man einen Stürmer seines Niveaus alle Jahre wieder beim BVB beobachten kann. Das Scouting der Westfalen ist besonders in der Sturmspitze herausragend. Begonnen hat alles mit Lucas Barrios und den Meistertiteln unter Jürgen Klopp. Barrios wechselte im Sommer 2009 aus Chile nach Nordrhein-Westfalen und schlug sofort ein – 19 Tore und fünf Vorlagen in seiner Debütsaison folgten 16 Tore und sechs Vorlagen in der ersten Meistersaison. Er erreichte also 46 Scorrerpunkte in nur zwei Jahren Bundesliga.
In der darauffolgenden Spielzeit sollte der Stern des Robert Lewandowski so richtig aufgehen. Der Pole verdrängte den Paraguayer auf die Bank und führte die schwarz-gelben zum Double. Was Lewandowski seitdem in der Bundesliga für Leistungen abruft, ist von einem anderen Stern. Vier der letzten sechs Torjägerkanonen gingen an ihn. Dazu kommen noch nicht weniger beeindruckende Leistungen in DFB-Pokal und Champions League. Doch woher kam diese Tormaschine überhaupt?
Der BVB kaufte Lewandowski im Sommer 2010 für 4,75 Mio. von Lech Posen Euro und bezahlte damit 4,75 Mio. Euro mehr, als der FC Bayern 2014 für den Polen. In Polen war Lewandowski 2009/2010 mit 18 Toren in 28 Spielen Torschützenkönig. Das ist ein guter, aber kein herausragender Wert. Erst in der Bundesliga reifte er nach einem Jahr der Eingewöhnung zum Top-Stürmer. Nach seinem Abgang nach München hinterließ er eine riesige Lücke im Sturmzentrum der Dortmunder.
Ciro Immobile: Transferflop und Weltklassestürmer
Gestopft werden sollte diese mit dem Italiener Ciro Immobile. Doch Immobile sollte der einzige Stürmerflop des BVB der letzten Jahre werden. Nach gerade einmal einem Jahr und drei Toren in der Bundesliga war das Kapitel Deutschland für Immobile beendet. Er wechselte erst auf Leihbasis und ein Jahr später fest zum FC Sevilla. Interessanterweise ist aber auch einer der größten Transferflops der letzten Jahre heute ein herausragender Mittelstürmer. Man sieht an seinen heutigen Leistungen, was Watzke und Zorc damals für einen Spieler verpflichten wollten.
Über die Gründe für Immobiles scheitern in Deutschland lässt sich nur spekulieren; doch eines steht fest: Er war zur falschen Zeit am falschen Ort. In der Hinrunde stand er häufig in der Startelf der Schwarz-Gelben und konnte dabei die Erwartungen nicht erfüllen. Aber das galt fraglos nicht nur für ihn, denn keiner der Dortmunder Spieler konnte in dieser Hinrunde die Erwartungen erfüllen. Nach 17 Spieltagen stand der Vizemeister des Vorjahres auf dem vorletzten Tabellenplatz. Gerade einmal 15 Punkte und 18 Tore standen zu Buche. Es war eine Horror-Hinrunde.
Interessanterweise hätte der BVB laut der Expected Goals dieser Hinrunde auf einem ganz anderen Tabellenplatz stehen müssen, nämlich dem vierten. Ein Hauptgrund für die Dortmunder Misere war also – kein Trainer wird das gerne hören – PECH. Die Dortmunder haben nicht übermäßig schlecht gespielt. Sie erzielten einfach keine Tore, wenn sie eigentlich welche hätten erzielen müssen und fingen Tore, wenn eigentlich keine hätten fallen dürfen. Das, bei fußballtaktischen Analysen oftmals missachtete, Glück war nicht auf ihrer Seite.
In der Rückrunde wendete sich das Blatt. Die Mannschaft fing sich noch rechtzeitig und schloss die Saison auf dem 7. Platz ab. Doch für einen kam diese Trendwende zu spät: Ciro Immobile. Der Italiener war längst auf dem Abstellgleis. Nur noch zwei Startelfeinsätze folgten für ihn und er konnte kein einziges Tor mehr markieren. Als Transferflop abgestempelt ging es nach Andalusien. Jetzt sechs Jahre später straft er seine Kritiker endgültig Lügen und zeigt ganz deutlich, warum Dortmund ihn damals verpflichtet hat.
Immobile erzielte in bisher 19 Serie A Spielen 23 Tore und bereitete weitere fünf vor. Damit führt er die Torjägerliste der Top-5 Ligen noch vor Robert Lewandowski und Lionel Messi an. Nicht auszudenken, wo der 29-jährige heute ohne die Seuchensaison beim BVB stehen würde.
Aubameyang: Im Zentrum zur Tormaschine
Zu Dortmunds Glück war nach dem Abgang von Immobile schon ein neuer Stürmer in den eigenen Reihen vorhanden. Pierre Emerick Aubameyang, ob seiner Schnelligkeit in jungen Jahren noch häufig auf dem Flügel eingesetzt, rückte ins Zentrum der BVB Offensive und brillierte sofort. Bereits 2013 kam der Gabuner für 13 Mio. Euro in die Bundesliga. In den ersten beiden Saisons erreichte er schon sehr gute 17 und 23 Scorerpunkte. Ehe er dann als Mittelstürmer zu Höchstleistungen auflief.
In den folgenden zweieinhalb Jahren in der Bundesliga erzielte Aubameyang überragende 69 Tore in 79 Spielen. Aufgrund dieser Quote war sein Wechsel zum FC Arsenal im Januar 2018 wirklich keine Überraschung.
Batshuayi: Kurzes Intermezzo
Durch den Aubameyang-Wechsel im Winter war der BVB gezwungen, eine Übergangslösung für die Rückrunde zu organisieren. Diese Lösung war der Belgier Mitchy Batshuayi. Auch, wenn der Stürmer vielleicht nicht zum erfolgreichsten Angreifer der Dortmunder Geschichte werden sollte, hat er trotzdem einige sehr gute Spiele gezeigt. In zehn Bundesligapartien erzielte er sieben Tore. Dann verletzte er sich am Sprunggelenk und fiel für den Rest der Saison aus. Dortmund nahm infolge der Verletzung von einer festen Verpflichtung des Belgiers Abstand und Batshuayi spielte seitdem wenig erfolgreich für Valencia, Crystal Palace und Chelsea.
Im Sommer 2018 musste also ein neuer Stürmer gefunden werden. Aufgrund der komplizierten Lage auf dem Transfermarkt entschieden sich die Verantwortlichen erneut für eine Leihe. Die Marktwerte gerade für Stürmer schossen in ungeahnte höhen und mit Paco Alcácer verpflichtete man einen Spieler, dessen tatsächliche Klasse noch nicht endgültig bestimmt werden konnte.
Paco Alcácer: Knipser vom Dienst
Der Spanier wechselte im Sommer 2016 nach einigen guten, aber keineswegs überragenden Jahren vom FC Valencia zum FC Barcelona. Bei den Katalanen konnte er sich nie durchsetzen und war deshalb glücklich über die sich bietende Chance beim deutschen Vizemeister. Alcácer packte die Gelegenheit beim Schopfe und beweist seit nunmehr anderthalb Jahren, was er für ein eiskalter Torjäger ist. In der Bundesliga erzielte er in 37 Partien 23 Tore. Das ist an sich kein herausragender Wert, aber, wenn man sich anschaut, wie viele Minuten Alcácer für ein Tor benötigt, entsteht ein völlig neues Bild.
Seit Sommer 2018 erzielte Paco in der Bundesliga alle 75 Minuten ein Tor. Im Vergleich dazu: Messi erzielte im gleichen Zeitraum in La Liga “nur” alle 79 Minuten ein Tor. Natürlich ist dieser Unterschied auch der mehr als doppelt so hohen Spielzeit Messis geschuldet. Beeindruckend ist diese Statistik trotzdem und zeigt einmal mehr, was für ein Knipser die Nummer 9 der Dortmunder ist. Was nach der Verpflichtung Haalands mit Alcácer passiert steht noch in den Sternen.
Erling Haaland tritt jedenfalls in große Fußstapfen. Sein Einstand machte Lust auf mehr und gab einen kleinen Ausblick auf das, was vielleicht noch kommt. In den letzten Jahren spielten einige der besten Stürmer der Welt im schwarz-gelben Trikot. Wenn es nach den Verantwortlichen, den Fans und sicherlich auch Haaland selbst geht, dann ist der Norweger der nächste Weltklassetorjäger, der die Süd ein ums andere Mal zum Beben bringt.