Nachhaltigkeit im Fußball – Hoffenheim macht, was DFL und DFB versäumen

Die TSG 1899 Hoffenheim ist beim Thema Klimawandel einer der Vorreiter im deutschen Fußball. Nun veröffentlichte die TSG sogar eine Doku darüber.

Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Jetzt, da der Klimawandel endlich die mediale Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient, machen sich immer mehr Menschen Gedanken über ihr eigenes Handeln. Sollte ich weniger oder gar kein Fleisch essen? Nehme ich lieber die Bahn zur Arbeit? Muss ich wirklich mit dem Flugzeug in den Urlaub? Viele Fragen, die uns tagtäglich beschäftigen und selbst in der Politik ist langsam angekommen, dass derartige Themen essenziell für unsere Zukunft sind.

Doch den meisten Fußballvereinen ist die Dringlichkeit noch nicht bewusst. Ernsthaftes Engagement den Klimawandel zu stoppen, zeigen nur die wenigsten und auch DFL und DFB haben es bisher versäumt, Richtlinien aufzustellen, an die sich ihre Mitglieder halten müssen. Das ist aufgrund der gesellschaftlichen Wichtigkeit des Fußballs erschreckend, finden auch Dietmar Hopp und Andreas Rettig. Der Mäzen der TSG Hoffenheim und der ehemalige Geschäftsführer der DFL trafen sich Anfang des Jahres in der neuen Klima Arena in Sinsheim zu einem interessanten Austausch.

Hopp und Rettig sind einer Meinung

Man könnte zunächst davon ausgehen, dass diese beiden einflussreichen Fußballfunktionäre sehr unterschiedliche Meinungen zu den wichtigen Themen des Fußballs vertreten. Rettig, der lange Jahre für den FC St. Pauli arbeitete, ist einer der größten Verfechter der 50+1 Regelung und Hopp genießt mit seinen 96% der Anteile der TSG eine Ausnahme der Regelung. Doch beim genaueren Hinsehen wird deutlich, dass die beiden mehr gemein haben, als zu erwarten ist.

Mit Blick auf die Zukunft des deutschen Fußballs sind sich Hopp und Rettig einig, dass der Einstieg ausländischer Investoren mit unendlichen Geldsummen nicht das Ziel sein darf. So sieht Rettig in dem Beispiel TSG Hoffenheim und Dietmar Hopp ein mögliches Vorbild für andere Vereine. Hopp, der selbst in der Jugend für Hoffenheim spielte, zeigt ein langfristiges Interesse an dem Verein, investiert sein Privatvermögen und hält sich an alle finanziellen Regeln. Deshalb war Rettig auch als DFL-Geschäftsführer mitbeteiligt an der Ausnahmeregelung für die TSG.

Wir sollten die bodenständigste, die sozialste und nachhaltigste Liga werden. Dies wäre eine neue DNA für die Bundesliga, für die es sich zu kämpfen lohnt. Die jungen Leute gehen heute mit 15 für solche Themen auf die Straße. Wenn ich sehe, wie die Generation Z tickt, dann ist es perspektivisch für den Fußball-Standort Deutschland ein echter Wert, wenn man glaubwürdig sagen kann: ‚Hier bei uns gehen die Uhren anders.‘ Und wenn wir dann einen Pokal weniger gewinnen, dann ist es halt so.

Andreas Rettig


Ebenfalls einig sind sich die Beiden beim Thema Klimawandel und beide engagieren sich seit längerem in diesem Gebiet. Hopp setzt sich schon mehrere Jahre mit seinem Verein für Nachhaltigkeit ein. Ein aktuelles Beispiel ist die eigene Modemarke umoja, die in Uganda produziert wird, um den Wirtschaftsstandort zu stärken. Auch Rettig ist schon bei seinen früheren Stationen für das Thema sensibilisiert worden. So wurde beispielsweise in seiner Amtszeit beim FC Augsburg das Stadion klimaneutral gebaut.

Im Oktober 2019 wurde die Klima Arena in Sinsheim eröffnet. Diese soll als außerschulische Bildungsstätte dienen, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Nicht nur der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann, sondern auch Bundeskanzlerin Merkel kamen zur Eröffnung und fanden lobenden Worte für das Engagement der TSG Hoffeneheim. Finanziert wurde das knapp 40 Mio. Euro teure Projekt durch die Dietmar-Hopp-Stiftung.

Rettig und Hopp sind sich einig, dass ein solches Engagement von viel mehr Bundesligisten betrieben werden sollte. Zwar gibt es einige Vereine wie St. Pauli, Mainz, Freiburg oder Bremen, die sich ebenfalls gegen den Klimawandel verschrieben haben, aber gerade die einflussreichen Klubs halten sich bisher zurück. Vor allem Bayern und Dortmund müssten ein gesteigertes Interesse zeigen, um dadurch einen Sogeffekt zu erzeugen, meint Hopp.

DFL und DFB tun zu wenig

Um mehr Vereine dafür zu begeistern, nimmt Rettig auch die DFL in die Pflicht. Sein ehemaliger Arbeitgeber hätte die Macht, den Vereinen ökologische Vorgaben zu machen, nimmt diese Möglichkeit aber nicht wahr. Auch der DFB versäumt es, klimafreundliche Konzepte beispielsweise zur Anreise zu Fußballspielen vorzustellen. Und beide Organisationen verzichten bisher darauf, ihre Medienwirksamkeit zu nutzen, um die Aufmerksamkeit für diese Themen weiter zu steigern.

Der Druck, dass auch der Fußball aktiv wird, ist groß. Und ich sehe die Chance, dass dies geschieht. Wir als TSG Hoffenheim können mithelfen und zeigen, dass man sich in verschiedenen Formen und Projekten engagieren kann.

Dietmar Hopp


Mit der am Mittwoch erschienenen Doku nimmt Hoffenheim die Verbreitung des Bewusstseins, dass Fußballvereine sich durchaus für diese Themen engagieren können, nun selbst in die Hand. Damit geht der Verein einen weiteren Schritt in die richtige Richtung und ist vielen Konkurrenten einiges voraus. So sehr die TSG in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor als belächelter Retortenklub dasteht, so wenig entspricht das Handeln des Vereins diesem Bild.

In Hoffenheim werden nachhaltige und langfristige Entscheidungen getroffen. Während an anderen Standorten Investoren innerhalb kürzester Zeit für ein riesiges Chaos sorgen, baut Dietmar Hopp in Hoffenheim seit Jahrzehnten einen vorbildlichen Fußballklub. Der 79-jährige beweist beeindruckende Weitsicht und zeigt, dass Angst vor dem Klimawandel nicht nur die junge Generation betrifft. Hopp ist ein Mann, der von vielen in der Fußballwelt aufgrund seines Geldes kritisiert wird, wodurch sein tatsächliches Handeln zu Unrecht in den Hintergrund rückt.

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