Den größten Automobilhersteller Deutschlands und den größten Sportfachverband der Welt eint in letzter Zeit vor allem, dass sie sich fast durchgängig in einer Krise befinden. Das Image von VW hat im Zuge der Abgasaffäre massiv gelitten und der deutsche Fußball Bund erreichte seinen neuerlichen Tiefpunkt durch den Rücktritt des mehr als umstrittenen Präsidenten, Reinhard Grindel. Nun ist es für den DFB und für VW höchste Zeit Wiedergutmachung zu betreiben. Und, da geteiltes Leid ja bekanntlich halbes Leid ist, versuchen die beiden, diese Herkulesaufgabe gemeinsam zu bewältigen. Seit Anfang 2019 ist VW Hauptsponsor des DFB.
Die letzten vier Jahrzehnte war dieser Posten Mercedes vorbehalten. Doch als sich 2017 der Vertrag mit den Stuttgartern dem Ende neigte, entschied der DFB erstmals ein Wettbieten um das Sponsoring zu eröffnen. Zuvor wurde die Zusammenarbeit mit Mercedes immer einfach verlängert ohne, dass andere Unternehmen die Möglichkeit hatten, höhere Angebote zu unterbreiten. VW entschied dieses Wettbieten, trotz eines ebenfalls gesteigerten Mercedes Angebots, für sich und ist somit mindestens bis zum 31. Juli 2024 Hauptsponsor des DFB.
Nicht nur ein Motto
Im Zuge des neuen Sponsorings hat sich VW das Motto “Fußball, das sind wir alle.” auf die Fahnen geschrieben. Dieses Motto soll verdeutlichen, dass es dem Konzern in dieser Zusammenarbeit nicht nur um die Nationalmannschaft geht, sondern alle Fußballer unterstützt werden. Von der Kreisliga bis zur Bundesliga und egal welchen Geschlechts. Schwieriger, als einen wohlklingenden Leitspruch aufzustellen, ist aber zweifelsohne, diesen auch in die Tat umzusetzen.
Vor der WM 2018 beispielsweise wollte Mercedes mit dem Hashtag #ZSMMN einen Trend setzen. Damit ist man bekanntermaßen krachend gescheitert. Die deutsche Nationalmannschaft schied nicht nur bereits in der Gruppenphase aus dem Turnier aus, sondern verlor dazu noch die Sympathie unzähliger Anhänger aufgrund des lieblosen Marketingbrimboriums, das Mercedes auffuhr. Diese Marketingstrategie scheiterte nicht alleine an dem grausamen Hashtag. Ihr fehlte überdies jegliche Glaubwürdigkeit. Es sollte der Zusammenhalt zwischen den Fans und der Mannschaft gestärkt werden und heraus kam das genaue Gegenteil.
Mehr als “Die Mannschaft”
VW versucht es nun mit einem ähnlichen Ansatz, aber einer gänzlich anderen Umsetzung. Die Fans fühlen sich nicht mehr durch die Nationalmannschaft repräsentiert und die Amateurvereine durch den DFB im Stich gelassen. Diese Probleme haben der DFB und Volkswagen erkannt und versuchen gegen zu steuern. Die neue Marketingstrategie stellt die Männer Nationalmannschaft etwas in den Hintergrund und thematisiert bisher weniger beachtete Akteure, die von ähnlich hoher Wichtigkeit sind.
Unter dem Hauptmotto “Fußball, das sind wir alle.” veröffentlichte VW mehrere kurze Videos, in denen verschiedene Menschen erzählen, was Fußball für sie ist. Dabei kommt unter anderem Imke Wübbenhorst zu Wort, die als erste Frau in Deutschland ein Männerteam in der Oberliga trainierte. Ein weiteres Video zeigt den jungen, ambitionierten Schiedsrichter Jonah Besong, dessen Ziel es ist, irgendwann einmal Bundesliga zu pfeifen. Das sind nur zwei Beispiele von Menschen, denen VW mit der Kampagne eine größere Bühne bieten möchte. So soll anderen Menschen, die sich mit den Geschichten der Videos identifizieren können, gezeigt werden, dass auch sie dem DFB nicht egal sind.
Im Vorfeld der Frauen WM 2019 startete VW eine weitere Kampagne. Unter dem Motto “The future is watching.” wurde versucht, den Frauenfußball in Deutschland populärer zu machen. In einem ca. einminütigen Video stellte man die Vorbildfunktionen der Frauen Nationalmannschaft heraus und zeigte auf, dass die Frauen durch ihre Leistungen mehr gewinnen können, als nur Titel. Sie inspirieren junge Mädchen und Frauen in Deutschland, an sich zu glauben und selbstbewusst in die Zukunft zu gehen.
Endlich Unterstützung für die Amateure
Neben dem Frauenfußball möchten der DFB und VW im Laufe ihrer Zusammenarbeit deutlich mehr in den Amateurfußball investieren. Deshalb startete vor kurzem die Volkswagen Trikot-Aktion. VW stattet durch diese Aktion 3000 Fußballmannschaften mit einem neuen Trikotsatz aus. Die Mannschaften müssen sich lediglich bei einer teilnehmenden VW Niederlassung in ihrer Nähe mit einem Aktionscode melden und bekommen dafür einen 14-teiligen Trikotsatz in ihren Wunschfarben. Gerade für oftmals klamme Dorfvereine ist diese Aktion eine tolle Möglichkeit, neue Trikots zu bekommen, ohne sich auf langwierige Sponsorensuche zu begeben.
Weniger massentauglich, aber dafür umso rührender war das Sponsoring eines neuen Vereinsbusses für den VfB Peine. Die C-Jugend des Vereins hatte auf dem Rückweg eines Auswärtsspiels einen schweren Unfall mit dem alten Bus. Es kam glücklicherweise niemand ums Leben, aber der Bus war komplett hinüber und die Insassen teilweise schwer verletzt. Der Verein erfuhr sehr viel Solidarität ihrer Gegner in der Landesliga und die C-Jugend, die vor dem Unfall die Tabelle anführte, gewann letztendlich trotzdem die Meisterschaft, weil die anderen Vereine ihnen teilweise Punkte schenkten. Woraufhin VW dem Verein für die folgende Saison einen neuen Bus zur Verfügung stellte. Dieser war nicht nur für die C-Jugend, aufgrund der langen Auswärtsfahrten, existenziell wichtig.
Dieses Beispiel zeigt, dass VW versucht sowohl durch breit angelegte Aktionen, als auch durch bewegende Einzelfälle, das Image der eigenen Marke und des DFB wieder aufzupolieren. Wie erfolgreich diese Methodik sein wird, muss sich noch zeigen, doch die ersten Ansätze sind vielversprechend. Volkswagen führt Aktionen durch, die den Amateuren direkt zugute kommen. Es wird nicht nur versucht, durch aufwendig produzierte Werbefilme Eindruck bei den Fans zu machen. Das Sponsoring soll möglichst nah an der realen Wirklichkeit der Menschen dran sein.
Ein guter Anfang reicht nicht aus
Ebenso verhält es sich mit den kurzen Videos unter dem Motto “Fußball, das sind wir alle.”. Diese sind keine Heldendarstellung der Nationalmannschaft. Sie zeigen viel mehr ganz normale Menschen und ihre persönlichen Geschichten im Fußball. Dadurch fühlen sich wahrscheinlich wesentlich mehr Menschen angesprochen, als durch die Marketingmaschinerie vor der WM 2018. So könnte wieder eine echte Verbindung zwischen Verband und Basis aufgebaut werden. Nur stehen einem echten Neuanfang nach wie vor horrende Ticketpreise bei Länderspielen, erzwungen “coole” Tormusik und viele weitere Imageprobleme im Weg. Auf den DFB und VW kommt noch jede Menge arbeit zu, aber erste Schritte in die richtige Richtung sind zumindest getan.