Das einwohnerstärkste Land der Erde – China – hat eine Menge Missionen. Eine davon: den heimischen Fußball populär und wettbewerbsfähig machen. Wenn die Bemühungen bislang auch belächelt oder mitunter als kostspieliges Experiment abgetan wurden, entwickelt sich inzwischen eine Struktur, die den chinesischen mehr und mehr mit dem europäischen Fußballmarkt verbindet; und ebenso die Unternehmenskulturen. Nicht nur für Vereine lassen sich aus einer fernöstlich gerichteten Partnerschaft Wachstumspotentiale ermessen, sondern ganz besonders auch für Unternehmen, Marken und Dienstleister – und diese Verbindungen versprechen heute, vor allem jedoch künftig ein lukratives Geschäft.
China kann ein Weltmarkt für alles sein – auch den Fußball
Bis vor wenigen Jahren war es in China nicht weit her mit dem Fußball, der in Deutschland, England oder Spanien eng mit der Kultur verwoben ist. Die Nationalmannschaft belegt in der FIFA-Weltrangliste aktuell Platz 73; hinter Kap Verde, Mali oder Curaçao. Doch seit einigen Jahren wird im Land der aufgehenden Sonne vermehrt in die Fußballstrukturen investiert, mit nicht unwesentlichem Erfolg. Und da China als Wirtschaftsmarkt und Pionierland in digitalen und technologischen Entwicklungen von stetig wachsender Bedeutung für das globale Business ist, sollten auch Entscheider aus den Bereichen Sportmarketing, Media-Entwicklung oder auf Vereinsebene mögliche Kooperationen mit Partnern aus China in Erwägung ziehen.
Immerhin setzt China mit knapp 1,4 Milliarden Einwohnern, was die gut 1,3 Milliarden weltweiten YouTube-Nutzer übersteigt, ungeahnte werbliche und wirtschaftliche Möglichkeiten voraus. Das Land ist inzwischen Exportweltmeister und stellt die größte Volkswirtschaft weltweit. Der Status des Landes wird in verschiedenen Sektoren offenbar. Denn China ist beispielsweise der größte Automobilmarkt überhaupt und strebt in Sachen Elektromobilität effektiv gen Weltmarktführerschaft, so SWP. Dazu kommen immense Entwicklungen wie die jüngst eröffneten Qingdao Movie Metropolis-Filmstudios in Qingdao. Der reichste Mann Chinas, Wang Jianlin, investierte laut der FAZ 6,5 Milliarden Euro, um mit dem Hollywood Chinas der US-Filmindustrie stärkere Konkurrenz zu machen. All diese Meldungen unterstreichen Chinas Status als Big Player in verschiedensten Geschäftszweigen. Im Bereich Fußball wird daran ebenso gearbeitet.
Die höchste chinesische Spielklasse, die Chinese Super League, hat laut Transfermarkt.de bereits einen Gesamtmarktwert von knapp 450 Millionen Euro erreicht. In der Bundesliga liegt er zwar bei 3,5 Milliarden, in der 2. Bundesliga aber nur noch bei etwa 300 Millionen. Dieser Wert hängt damit zusammen, dass die Geldgeber der chinesischen Vereine, meist große Unternehmen, zu denen die Clubs gehören, Spieler wie Hulk, Oscar oder Carlos Tévez in die Liga lotsen konnten.
Tévez, der nun wieder in Argentinien spielt, verdiente angeblich an die 820.000 US-Dollar wöchentlich bei Shanghai Shenhua. Jüngst wechselten Nicolas Gaitán und Yannick Carrasco von Atlético Madrid zu Dalian Yifang; zusammen sollen sie gut 48 Millionen Euro gekostet haben. Wie Transfermarkt.de angibt, werden bei Deals über sechs Millionen Euro aber noch einmal ähnliche Summen als Förderung für den eigenen Nachwuchsbereich fällig.
Möglich sind die Zahlungen, wenn man die Vereinsstrukturen ansieht. So gehört der Club Guangzhou Evergrande Taobao zum Teil der Evergrande Real Estate Group, zum Teil der Alibaba Group, die in Sachen E-Commerce selbst Amazon den Rang abläuft. Der momentane Tabellenführer der Chinese Super League, Shanghai SIPG, den Hulk als Kapitän ins Feld führt, gehört der Shanghai International Port Group – dem Betreiber des größten Containerhafens Chinas.
Hulk spielt seit 2016 in China, Screenshot YouTube, © Chinese Football Association
Wie Vereine von der Zusammenarbeit mit dem Fußball in China profitieren können
Am Beispiel von Shanghai SIPG und dem Hamburger SV wird deutlich, welchen Mehrwert eine strukturelle Kooperation mit den chinesischen Vereinen für Bundesligavereine haben kann. Von 2016 bis 2018 unterstützte der HSV Shanghai SIPG bei den Strukturen im Nachwuchsbereich und gab auch das Know-How im Management weiter. Davon berichtet etwa Daniel Jovanov im Spiegel. Für diese Unterstützung soll der HSV insgesamt fünf Millionen Euro erhalten haben. Diese Option als Einnahme- und womöglich dereinst auch als Spielerquelle wahrzunehmen, scheint ein Zug, der sich in Europa etabliert. So hat Slavia Prag gerade eine strategische Partnerschaft mit Beijing Sinobo Guoan verkündet. Auch der FC Liverpool hat zusehends mehr Verbindungen nach China. Schon 2013 wurde dort die erste Akademie des Clubs eröffnet, doch in diesem Jahr wurde eine neue Form der Zusammenarbeit angekündigt. In Kunming wird unter der Leitung von Liverpools Daniel Reece, Head Coach der LFC International Academy, eine Kooperation mit dem Bildungsministerium der Stadt eingegangen, die Kinder fußballerisch schulen soll, aber ebenso angehende Trainer mit der etablierten Expertise aus England versorgt. Für die chinesische Region ist das eine Chance, den Fußball zu popularisieren und zu optimieren, und zwar langfristig. Für den Verein aus Liverpool bietet die Partnerschaft neben finanziellen Erträgen auch beste Branding- und Internationalisierungsoptionen.
Solche nimmt auch der FC Schalke 04 wahr. Vor wenigen Tage wurde von den Knappen eine strategische Partnerschaft mit Chinese Super League-Club Hebei Fortune verkündet. Die Vereinswebsite beschreibt „eine richtungsweisende, langjährige und wirtschaftlich attraktive Kooperation“. Über die kommenden fünf Jahre soll die Jugendabteilung des FC Hebei Fortune von den Schalkern strategisch und inhaltlich optimiert werden, wobei lizensierte Trainer und Scouts von Königsblau helfen werden. Die starke Schalker Jugendarbeit soll dann im fernen China reproduziert werden. Laut ESPN ist dieser Deal immerhin 20 Millionen Euro schwer. Im Zuge der Internationalisierungsstrategie, wie der Gelsenkirchener Verein es selbst beschreibt, werden im Sommer auch Testspiele in China veranstaltet.
Ein deutsch-chinesisches Band besteht im Fußball schon länger; im letzten Jahr verkaufte die DFL ihre Vermarktungsrechte für den chinesischen Markt für 250 Millionen Euro an die Suning Commerce Group, damit diese für fünf Jahre Exklusivrechte an der Bundesliga hat, die in China die beliebteste ausländische Liga ist. Das geht aus dem Bericht des Kicker aus dem April 2017 hervor.
Schalke 04 setzt in Asien auf Nachwuchsförderung, Screenshot YouTube, © FC Schalke 04
Exkurs: Wer sich als Verein auf dem chinesischen Markt einen Namen machen möchte, kann auch Wege abseits des klassischen Sports gehen. Wie Mike Stubbs bei Forbes darstellt, nutzt Paris Saint-Germain den eSports-Aufschwung und ist kurzerhand eine Partnerschaft mit der LGD Gaming, einer von Chinas eSports-Organisationen, eingegangen. In der Folge wurde das Dota 2-Team der LGD zu PSG.LGD. Die eSportler tragen Trikots von Paris Saint-Germain und machen den Club umso berühmter. PSG ist der erste Verein, der in die Dota 2-Szene investiert. Doch das dürfte sich lohnen. Denn Fabien Allègre, Director of Merchandising and Diversification bei PSG, erklärt gegenüber Forbes:
„With an average of over 500,000 players simultaneously connected, Dota 2 is one of the most popular esports games, especially in Asia, a strategic region for PSG.“
Please give a warm welcome to our @DOTA2 squad in partnership with @LGDgaming !
1️⃣ Wang 'Ame' Chunyu
2️⃣ Lu 'Maybe' Yao
3️⃣ Yang 'Chalice' Shenyi
4️⃣ Xu 'Fy' Linsen
5️⃣ Jian Wei 'xNova' Yap🔴🔵 https://t.co/5kG4DWxD7Z pic.twitter.com/JPAGXLFbTQ
— PSG Esports (@PSGeSports) April 19, 2018
Unternehmen und Dienstleister setzen den chinesischen Fußballmarkt für die eigenen Zwecke ein
Es sind jedoch nicht nur die Vereine, die sich über verschiedenartige Partnerschaften mit chinesischen Institutionen, Clubs usw. Vorteile verschaffen mögen. Unternehmen wollen ebenfalls über die Kooperationen an Popularität und Umsatz gewinnen. Aus der Perspektive eines chinesischen Unternehmens lässt sich BYD Auto anführen. Der größte Elektroautohersteller der Welt hat eine Partnerschaft mit Arsenal London gestartet, die zu mehr Umweltbewusstsein bei Fans führen soll. Vor allem aber zu mehr Bekanntheit und Absatzmöglichkeiten für den Autobauer. Arsenal hat zahlreiche Millionen von Fans, alleine auf der chinesischen Social Media Plattform Sina Weibo sind es 4,7 Millionen. Laut der South China Morning Post soll BYD Auto bei Bandenwerbung im Emirates erscheinen, in Arsenals Social Media-Kanälen und auf den Stadionsitzen. Arsenals Chief Commercial Officer, Vinai Venkatesham, meint gegenüber der Zeitung:
„BYD are very, very well known in China but I’d probably say less well-known outside of China, so one of the key success criteria will be how we can help them build their awareness and their understanding of their business outside of China.“
Did you see the newest signing by EPL superclub @Arsenal? @BYDCompany official bus and auto sponsor of the Gunners. #changetheworld #whatsnext. https://t.co/p2MyzPVWZJ pic.twitter.com/pQg62A1utS
— BYD (@BYDCompany) April 24, 2018
Einen anderen Weg geht Premiership Experience, das als britisches Tourismusunternehmen zugeschnittene Erlebnispakete für Fußballfans schnürt. Der Insider berichtet, dass ein Deal mit einem ungenannten chinesischen Investor abgeschlossen wurde, der künftig auch Fans in China die Möglichkeit geben soll, die speziellen Angebote des Veranstalters wahrzunehmen. Gegründet wurde Premiership Experience, das in Glasgow zuhause ist, vor acht Jahren von Teenager Kieran Coyle, der die Wachstumschancen des chinesischen Marktes erkannt hat. Der Präsident der schottischen Handelskammer, Tim Allan, betont dazu im Insider:
„For Premiership Experience to make its mark in this way in the early stages of the game’s development in China bodes very well for them […]“
Juventus Turin ist ein weiterer Verein, der mit Linglong Tire eine lukrative Partnerschaft eingeht. Wie Xinhuanet berichtet, soll für beide Parteien eine globale Brandingkampagne daran geknüpft sein. Für die Vertragsfeier waren von Linglong Tire Dutzende Gäste ins Turiner Allianz Stadion eingeladen worden. Die ungebrochene Leidenschaft der Europäer für den Fußball soll Stück für Stück in China Einzug halten; und zweifelsohne noch internationale Umsatzsteigerungen der Partner bedingen.
Der chinesische Fußball gewinnt an Popularität
Dass der Fußball in China inzwischen sogar bei uns Europäern auf der Landkarte vertreten ist, kann kaum von der Hand gewiesen werden. Immerhin wird vermehrt über die Chinese Super League berichtet. Nicht zuletzt, weil Stars wie Oscar und Co. dort spielen, aber Legenden wie Andrés Iniesta oder womöglich gar Arsène Wenger ebenfalls dort landen könnten.
Auch die FIFA stärkt im Zuge dessen ihre digitale Präsenz in China. Die Organisation eröffnet einen WeChat-Account, nachdem bei Weibo bereits Seiten erstellt worden waren, und hat endlich eine offizielle Seite in Mandarin veröffentlicht. Auf der eigenen Website verkündete FIFAs Chief Commercial Officer Philippe Le Floc’h:
„FIFA is delighted to be making another step into the Chinese digital ecosystem. Through the inauguration of the FIFA microsite as well as the opening of FIFA’s account on WeChat, we are able to further engage with Chinese fans and create valuable connections with them around the beautiful game. We are excited about continuing to grow FIFA’s digital presence in China ahead of the FIFA World Cup and look forward to the exhilarating feast of football ahead.“
Die FIFA-Website in Mandarin, © FIFA
Einen Schritt ins Fußballökosystem Chinas hat kürzlich auch der spanische Sportsender beIN gewagt. Nach Informationen von Xinhuanet wird über beIN seit vergangenem Wochenende die Chinese Super League live übertragen. Damit reagiert man auf viele Wechsel aus La Liga in die chinesische erste Liga und erweitert das Programm ausländischen Fußballs um diese Komponente. DAZN zeigt ebenso zumindest ausgewählte Partien aus der Chinese Super League – und bestätigt somit genauso, dass die Liga trotz ihrer Schwächen ein Marketingpotential hat.
Zu glauben, dass sich auch die fußballerischen Kernstrukturen in China in naher Zukunft mit Europa vergleichen lassen werden, ist vermessen. Dennoch zeigen einige Kooperationen, nicht ausschließlich auf wirtschaftlicher Ebene, wie sehr China in die fußballerische Infrastruktur und das wirtschaftliche Ökosystem drumherum investiert. Und das langfristig, wenn die Zusammenarbeiten mit Schalke 04 oder dem FC Liverpool aufrechterhalten werden und beginnen können, Früchte zu tragen.
Es kann durchaus als ein hehres Bestreben akzeptiert werden, dass China den eigenen Fußball so groß machen möchte. Mit genügend Geld, das haben die Beispiele Manchester City oder Paris Saint-Germain gezeigt, ist das wohl über kurz oder lang möglich. Dass durch diese monetär motivierte Förderung, die es für solche Ansätze in der Businesskultur des Sports heutzutage braucht, allerdings ebenso abstruse Marktinflationen bei Transfersummen und Gehältern zustandekommen, stößt dann aber doch vielen Fußballfans sauer auf. Wenn man sich jedoch – vielleicht auch zwangsläufig – an den Gedanken gewöhnt, dass Finanzströme und damit ebenfalls Partnerschaften einen Verein oder besser das Unternehmen steuern, kann man die unerhörten Potentiale des chinesischen Marktes für den Fußball weltweit und die landeseigene Förderung erkennen. Für Unternehmen bleibt da als Anbieter benötigter Lösungen und Know-Hows, als Distribuent oder Dienstleister, vielleicht einfach als Werbepartner viel Raum.
Die Chancen für Vereine, auch kleinere, und unterschiedliche Business-Segmente sind da. Branding über WeChat und Weibo sind nur der Start. Denn lukrative Kooperationen winken angesichts der Finanzkraft der Muttergesellschaften der Chinese Super League-Vereine und des fast unerschöpflichen potentiellen menschlichen Fankapitals. Trotz allem besteht ein Risiko: es ist noch nicht abzusehen, ob die Sonne für den Fußball in China wirklich schon im Aufgehen begriffen ist. Mit Blick auf die, auch digitale und technologische, Weltwirtschaft, die mehr und mehr mit dem Sport und dem Sportmarketing verknüpft wird, scheint es jedoch das Risiko wert zu sein. Jedenfalls darf die Entwicklung im Reich der Mitte mit Spannung verfolgt werden.