Deutschlands wohl bester Spieler wechselt zu Manchester City – allerdings handelt es dabei um den FIFA-Spieler Kai ’deto’ Wollin. Überall auf der Welt verpflichten Vereine und Marken Spieler, die sie bei virtuellen Turnieren vertreten sollen. Selbst ganze Fußball-Ligen setzen auf ein Engagement im eSports-Bereich, um weitere Fans für das eigene Angebot zu begeistern. Doch welchen Mehrwert stellt die Zusammenarbeit mit den FIFA-Profis dar? Und wie sehr konkurrieren die virtuellen Matches tatsächlich mit ihren traditionellen Pendants?
FIFA 18 – Längst mehr als ein Spiel
EA Sports wird seinem Slogan langsam, aber sicher gerecht. „EA Sports: It’s in the game“ leitet seit jeher eines der bekanntesten Spiele überhaupt ein. Und nicht erst seit FIFA 18 integriert sich das virtuelle Spiel in den allzu realen Fußballmarkt.
Die Zeiten, in denen FIFA nur als Zeitvertreib mit dem Lieblingsteam auf dem Screen – vielleicht in der Sommer- oder Länderspielpause – hergehalten hat, sind längst vorbei. Inzwischen füllen Fifa Cups auch schonmal im echten Leben die ein oder andere kleine Arena. Die Begeisterung für das Spiel ist ungebrochen, FIFA 18 hat sich für alle Konsolen und den PC bereits über zehn Millionen Mal verkauft; Tendenz: steigend. Allerdings ist aus dem Hobby und der Leidenschaft der Fußballfans bereits etwas Anderes geworden, etwas Größeres. Das FIFA-Spielen hat sich im Bereich eSports zu einer eigenen Sportart gewandelt, ja zu einer Profession. Wenn die besten FIFA-Spieler der Welt ihre Duelle untereinander austragen, dann geht es mitunter gar in die Westminster Hall, wie beim FIWC (FIFA Interactive World Cup) Finale 2017 in London. Und auch Sport1 überträgt inzwischen Turniere wie den FUT (FIFA Ultimate Team) Champions Cup.
Diese Turniere, e-Ligen und die Stars dieser Spiele, die FIFA-Profis, erfreuen sich einer riesigen Gefolgschaft. Daher steckt in dieser Entwicklung auch ein riesiges Potential. Und zwar nicht nur für Electronic Arts oder die Spieler selbst. Auch Fußballclubs verpflichten nunmehr top FIFA-Spieler, um sich bei publikumswirksamen eSports-Events vertreten zu lassen. Während zudem Legenden mit eigenen Teams aufwarten, möchten auch die Liga-Verbände die Anziehungskraft des virtuellen Spielens für sich nutzen.
eSports-Ligen machen Furore
Kai ’deto’ Wollin verlor das FIWC-Finale 2017. Doch als einer der besten FIFA-Spieler überhaupt darf er nun das derzeit auf dem Platz fulminante Manchester City vertreten. Zunächst beim FUT Champions Cup im April. Dabei ist Wollin bereits der vierte eSports-Spieler beim englischen Club
DETO im ManCity-Trikot, Screenshot YouTube, © Manchester City
Nuria Tarre, Chief Marketing Officer der City Football Group, betont auf Citys offizieller Website:
„We’re looking forward to seeing Deto in Manchester City colours in tournaments and fan events around the world … The growth in esports over the past two years has been substantial and our growing presence in this industry has provided another way for us to connect with our global fan base, particularly our younger audience, and bring them closer to the club they love.“
Damit wird deutlich, dass die Vereine mit der Verpflichtung verschiedene Ziele verfolgen. Zum einen möchte man auf den Zug aufspringen und Teil der rasant wachsenden eSports-Community werden. Zum anderen steckt in den FIFA-Profis aber auch Marketingpotential. Als Repräsentanten von Vereinen können sie die Fan-Gemeinschaften weltweit auf einem ganz neuen Level erreichen. Und vielleicht bekennt sich der ein oder andere Gamer am Ende zu einem bestimmten Verein.
Doch allein schon das Interesse an dem eigenen Produkt, der eigenen Liga zu wecken, stellt andernorts einen Anspruch dar. Die australische A-League hat jüngst die erste eigene e-Liga anlaufen lassen, wie ABC News in Australien berichtet. Das Land ist nun weniger für seinen Fußball bekannt und die Sportart ist dort sicher nicht die populärste. Doch daran soll die virtuelle Liga etwas ändern. Zwei professionelle Spieler sollen jedes Team der A-League vertreten. Ein Deal für die Senderechte soll bekannt gegeben werden und ein Preisgeld wird es ebenso geben. Die australische Fußballföderation (FFA) möchte auf diesem Wege das Interesse an der heimischen Liga stärken. Streamingdienste und Broadcaster sind an der Ausstrahlung interessiert; und selbst Profis der A-League möchten im eSports-Bereich teilnehmen.
Solche Ligen finden sich inzwischen in den meisten Ländern, wo der Fußball auch auf dem ganz realen Rasen begeistert. Die e-Ligue 1 in Frankreich etwa oder die Virtuelle Bundesliga in Deutschland.
Die nordamerikanische MLS hat ebenfalls seit Januar 2018 eine e-Liga. Welche Potentiale in solch einer Liga außerdem stecken, erläutert beispielsweise der Senior Vice President der Business und Marketing Operations bei den Portland Timbers, Cory Dolich. Er betont, dass man FIFA-Profi Edgar Guerrero nicht nur wegen seines Rankings in den Top 20 der US-FIFA-Spieler verpflichtet habe, sondern auch, weil er als Mann aus Oregon, der Englisch und Spanisch spricht, eine besonders repräsentative Funktion hat. Das geht aus Clare Duffys Bericht im Portland Business Journal hervor. Dabei wird deutlich, dass die eSportler durchaus genauso für Sponsoren von Interesse sind. Einige haben die Portland Timbers bereits kontaktiert, um mit der eSports-Sektion eine Partnerschaft einzugehen, so Dolich.
eSports und FIFA als Modell mit Zukunft
Allein mit der Verpflichtung eines oder mehrerer FIFA-Profis ist es jedoch für Vereine oder eSports-Abteilungen noch nicht getan. Zwar wird so die Verbindung von traditionellem Fußball auf dem Platz und der virtuellen Variante marketingwirksam schon verstärkt. Doch eSports scheint gekommen, um zu bleiben, weshalb eine langfristige Förderung eine Überlegung wert ist.
Hertha BSC hat, wie der Kicker in seiner eSports-Rubrik berichtet, nicht nur seinen Vertreter für die Virtuelle Bundesliga gefunden. Man plant beim Hauptstadtclub bereits eine eSport-Akademie, zu der die besten Talente von 1.000 gescouteten FIFA-Spielern Zugang erhalten sollen. Sodass der Verein schon frühzeitig den Nachwuchs für die kommenden Aufgaben im Bereich der e-Liga rüsten kann.
Eine Akademie für FIFA-Profis firmiert nun auch unter dem Namen eines weltbekannten ehemaligen Spielers. Das Team Gullit ist seit Januar aktiv und profitiert von fachmännischen Analysen und Coaching für angehende FIFA-Stars. Martyn Herman berichtet bei Reuters über die neue Bestimmung für Ruud Gullit, der vielen Fans wegen seiner einstigen Haarpracht und Titelgewinne noch im Gedächtnis ist. Gullit erkannte das Potential der Sportart nach dem FIWC-Finale 2017.
Ruud Gullit kann bei FIFA 18 als Legende gespielt werden; und findet oft einen Weg in die Teams der neuen Stars an der Konsole, Screenshot YouTube, © FIFATV
„I realized how serious it was … The players had a manager, a coach, they have everything.“
Nun spielen drei Spieler auf Vollzeitbasis für Team Gullit. In den Niederlanden ist eSports schon stark etabliert.
„In Holland all the Eredivisie teams have an esports player, there is a competition and it is watched by more people on TV than the Dutch second division. The exposure is unbelievable … It’s going to get bigger and bigger“,
so Gullit weiter. Und die Teams der Eredivisie setzen ebenso auf die virtuellen Kicker; auch, um den Altersschnitt in den Stadien langfristig wieder zu senken.
Die Entwicklung einer neuen Branche
Mit der Akzeptanz von eSports als Sportart, und zwar als professionelle und ganz besonders als potentiell gewinnbringende, bildet sich eine Branche neu heraus. Für viele mag die Vorstellung, dass FIFA-Spieler Sportler sind schon Stirnrunzeln hervorrufen. Dass dies ihr Vollzeitjob ist, wirkt dann umso befremdlicher; und ist doch nur eine logische Folge der Digitalisierung im Sport und Sportmarketing. Die besten FIFA-Profis der Welt verdienen laut der International Business Times pro Jahr durchschnittlich knapp 57.000 Pfund an Preisgeldern – das ist mehr als die Spieler der League Two (Vierte und unterste Profi-Liga in England) mit nach Hause bringen. Und nun erhalten die neu verpflichteten Spieler sicher auch ein Festgehalt.
Doch am Aufstieg von eSports hängen, in Bezug auf FIFA, noch mehr „neue“ Jobs und Möglichkeiten. FIFA eSports-Kommentatoren wie Brandon Smith machen sich einen Namen und verdienen ihr Geld mit der Berichterstattung der virtuellen Partien bei den Turnieren.
Auch eSports-Kommentatoren wie Smith (r.) können Karriere machen, Screenshot YouTube, © FIFATV
Marketer und Advertiser dürften sich bei der Anziehungskraft der Events ebenso auf den Bereich spezialisieren, um in deren Rahmen die besten und für die Zuschauer passendsten Produkte zu bewerben. Dass die Welt von FIFA im professionellen eSports-Bereich vor kaum einem Verein, einer Marke oder auch nur einem Unternehmen, das sich auf den Fußball fokussiert, Halt macht, ist anzunehmen. Daher haben etwa die Kollegen von Transfermarkt.de einen Profi verpflichtet. Mario ’MMayo’ Reubold zockt seit Kurzem offiziell für Transfermarkt.
Und dass das Potential von eSports riesengroß ist, lässt sich kaum von der Hand weisen. Daher sollten alle Entscheider, Mitarbeiter, Marketer und Co., die sich mit dem Fußball beruflich beschäftigen, schauen, inwieweit sich diese Welt für das eigene Unternehmen schon geöffnet hat oder wie sie erschlossen werden kann. Denn auch die Fans werden mehr und mehr an diese Parallelsportart herangeführt.
eSports wird die Leidenschaft und Emotionen des Fußballs nicht ersetzen können; allerdings gilt für FIFA im Jahr 2018 mehr denn je: „It’s in the game“.