Wenig Geld, viel Leidenschaft – wie Sheffield und co. ihre Ligen aufmischen

Von Sheffield über Berlin bis nach Getafe gibt es in den europäischen Top-Ligen mehrere Vereine, die momentan zeigen, was mit kleinem Geld möglich ist.

Die “beste” Liga der Welt hat in dieser Saison erneut einige Überraschungen zu bieten. Nicht nur Liverpools unglaublich anmutende 76 von 78 möglichen Punkten, sondern auch ein extrem stark aufspielendes Leicester City und mehrere strauchelnde Top-Klubs, die nun langsam die europäischen Plätze zurückerobern. Doch die wahrscheinlich größte Überraschung rangiert momentan auf Platz sieben und heißt Sheffield United.

Von der Championship in die Champions League?

Der Aufsteiger spielt weit über seinen Erwartungen und liegt aktuell in Schlagdistanz zu den CHAMPIONS LEAGUE-Plätzen. Nur ein Punkt trennt die Blades vom fünftplatzierten Rekordmeister Manchester United. Aufgrund der wahrscheinlichen Champions League-Sperre für Manchester City würde dieser Platz die Qualifikation zur Königsklasse bedeuten. Für Sheffield wäre diese Qualifikation ein ähnlich epochaler Erfolg, wie die Meisterschaft für Leicester City 2016, denn die Mannschaft von Chris Wilder spielte noch 2016/2017 in der dritten englischen Liga.

Nur zwei Jahre in der so schweren Championship reichten dem Verein für den Aufstieg in die Premier League und schon in der Aufstiegssaison kristallisierten sich Stärken heraus, die Sheffield aktuell eine derart starke Saison bescheren. In der zweiten Liga fing man nur 41 Tore in 46 Spielen – ein Abwehrbollwerk. In der Premier League sind es momentan 25 Gegentore nach 27 Spielen, was die zweitwenigsten hinter Liverpool sind. Sheffields Torwart Dean Henderson wurde sogar schon zur englischen Nationalmannschaft eingeladen.

Wenn man sich im Gegensatz zu den Gegentoren die Anzahl der geschossenen Tore ansieht, befindet sich Sheffield eher in Abstiegsregionen, denn im Europacup. Personifiziert wird diese eher magere Torausbeute durch den Stürmer David McGoldrick, der in 20 Premier League-Einsätzen diese Saison bisher kein einziges Tor erzielt hat und das bei einem xG-Wert von 7,19. Doch Sheffield bedarf aufgrund ihrer überragenden Defensive meistens nicht vieler Tore, um trotzdem drei Punkte mitzunehmen. Eine Herangehensweise, die momentan auch in anderen Top-Ligen Europas zu beobachten ist.

Getafe: Das kleine Atlético

In Spanien zeigt der FC Getafe, dass Fußball nicht unbedingt schön sein muss, um erfolgreich zu sein. Während gerade in La Liga die meisten Trainer ansehnlichen, technisch hochwertigen Fußball bevorzugen, zeigt Getafe klare Kante. Der Sieg steht über allem und heiligt im Vorort Madrids jedes Mittel. Getafe steht defensiv stabil, ist giftig in den Zweikämpfen und versucht meistens gar keinen Spielfluss aufkommen zu lassen. Das ist vielleicht nicht immer schön anzuschauen, aber der Erfolg gibt Trainer Pepe Bordelás Recht.

Nachdem der Verein 2016 aus der Erstklassigkeit abgestiegen war, übernahm Bordelás im September und führte die Azulones direkt zurück in die Primera División. Dort folgte ein sehr respektabler achter Platz mit nur 33 Gegentoren in 38 Spielen und in der letzten Saison konnte man sich mit Platz fünf (35 Gegentore) sogar für die Europa League qualifizieren. Aktuell steht der Verein erneut auf Platz fünf und stellt die viertbeste Defensive der Liga. Außerdem gewann Getafe das Hinspiel des Europa League-16tel-Finals gegen Ajax Amsterdam mit 2-0. Der Champions League-Halbfinalist vom Vorjahr muss am Donnerstag einiges Zeigen, um gegen diese Spanier die nächste Runde zu erreichen.

Auch in Frankreich steht mit Stade Reims ein Fahrstuhlverein der letzten Jahre auf einem guten achten Platz und hat sogar die beste Defensive der Ligue 1 vorzuweisen. Lediglich 20 Gegentore in 26 Spielen fingen sich die Rot-Weißen und damit sogar vier weniger als Paris Saint-Germain. Auch Reims hat eine vergleichsweise schwache Offensive, doch zeigt deutlich, dass für finanziell schwächere Vereine, die Jahr für Jahr um die Klassenzugehörigkeit kämpfen, die defensive Stabilität wesentlich wichtiger ist.

Eiserne Defensive

In Deutschland beweist das Aktuell Union Berlin. Die Ost-Berliner sind über die Relegation in die Bundesliga aufgestiegen und waren vor Beginn der Saison mit Paderborn zusammen die wahrscheinlichsten Abstiegskandidaten. Mit einem Marktwert von lediglich 43 Mio. Euro ist die Mannschaft der Eisernen nicht mal halb so viel wert, wie die drittgünstigste Mannschaft aus Düsseldorf (93 Mio. Euro). Nur die Paderborner mit 31 Mio. Euro haben einen noch geringeren Marktwert vorzuweisen.

Trotzdem rangiert Union momentan auf Platz zehn der Liga mit neun Punkten Abstand zum Relegationsplatz und sogar 12 Punkten zu einem direkten Abstiegsplatz. Möglich ist das durch den unermüdlichen Kampf der Spieler gepaart mit einer kompakten Defensive, die gerade im eigenen Stadion ‘An der Alten Försterei’ kaum zu knacken ist. In der Heimtabelle steht man sogar auf Platz neun und konnte sechs seiner 11 Heimspiele gewinnen.

Im Gegensatz dazu steht der SC Paderborn seit längerer Zeit auf dem letzten Platz der Bundesliga. Für die Ost-Westfalen ist das natürlich keine allzu große Überraschung und auch der bereits beschriebene Kadermarktwert lässt eine solche Platzierung erwarten. Der Unterschied zu Union ist aber, dass Paderborn bedingungslos Offensivfußball spielt. Unter Steffen Baumgart werden sogar der FC Bayern und Borussia Dortmund in ihren eigenen Stadien angelaufen und Paderborn versucht flach hinten rauszuspielen. Ein mutiger wie auch beeindruckender Ansatz, der voraussichtlich nicht von Erfolg gekrönt sein wird.

Es zeigt sich in ganz Europa, wie kleinere Vereine gegen jede Prognose Erfolg haben können. Dafür ist die defensive Stabilität von aller größter Bedeutung, denn mit wenig Geld Spieler zu verpflichten, die fußballerisch überragen, dürfte schwierig werden. Spieler, die es verstehen Räume eng zu halten, bedingungslos für den Verein zu kämpfen und jeden Zweikampf führen, als wäre es ihr Letzter findet man dagegen in jeder Preiskategorie. Diese Entwicklung ist zwar kein neues Phänomen, doch gerade in Zeiten der immer stärkeren Kommerzialisierung des Fußballs, in den die Schere zwischen arm und reich weiter auseinander geht, ist es spannend zu beobachten, wie die “kleinen” Vereine dem großen Geld Paroli bieten.

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