Hansi Flicks Wünsche wurden erhört – Bayern verpflichtet in der Winterpause mit Álvaro Odriozola einen weiteren Außenverteidiger. Damit sind die Personalsorgen des Rekordmeisters nicht gänzlich beseitigt, aber zumindest in der Defensive bieten sich dem Trainer nun mehr Möglichkeiten. Es ist ein typischer Wechsel des FC Bayern dieser Tage. Odriozola ist kein Spieler der Extraklasse, aber er hat definitiv Potenzial und der Wechsel ist erneut ein Leihgeschäft.
Wunschlösungen bleiben ein Wunsch
Wie schon im Sommer bei Philippe Coutinho und Ivan Perisic verpflichten die Bayern ihren neuen Spieler nur zeitlich begrenzt. Der Grund dafür ist ganz einfach: Sie sind nicht die Wunschlösungen. Keiner der drei Spieler stand ganz oben auf der Einkaufsliste von Hasan Salihamidžić. Doch Ideallösungen, wie etwa Leroy Sané oder Hakim Ziyech konnte der FCB bisher aus unterschiedlichen Gründen nicht realisieren.
Bei Sané machte der Kreuzbandriss zu Beginn der Saison einen Strich durch die Rechnung. Ziyech wurde nicht das nötige Interesse vermittelt, so dass der Marokkaner sich für eine Vertragsverlängerung bei Ajax entschied. Im Zugzwang der kurzen Transferperioden entschieden sich die Verantwortlichen an der Säbener Straße für kurzfristige Lösungen zur Überbrückung. Durch diese Leihspieler sollte der personelle Mangel eingedämpft und die sportliche Klasse aufrecht erhalten werden.
Im Sommer wird es nun höchste Zeit, dass der FC Bayern langfristige Lösungen präsentiert, sonst entfernen sich die eigenen Ansprüche immer weiter von realistischen Zielsetzungen. Um als absoluter Top-Verein in Europa zu gelten und um den Champions League Titel mitzuspielen, bedarf es Spielern höchster Güteklasse. Damit ist kein beim FC Barcelona aussortierter Philippe Coutinho, kein in die Jahre gekommener Ivan Perisic und kein bei Real als Bankwärmer eingestzter Àlvaro Odriozola gemeint.
Es geht auch nicht darum, die Stammspieler anderer Top-Vereine zu verpflichten – das wäre utopisch. Viel mehr muss der FC Bayern wieder zum Akteur auf dem internationalen Transfermarkt werden, anstatt nur zu reagieren. Spieler wie Kai Havertz oder Lautaro Martínez müssen den FCB als logischen nächsten Karriereschritt ansehen, von nationaler zu internationaler Klasse. Als diese Adresse schafft es der Verein sich momentan höchstens, für deutsche Spieler darzustellen. Erfolgreiche Talente im Ausland entscheiden sich für andere große Namen wie Manchester City oder Real Madrid.
Kloppo macht es vor!
Dass durch die Verpflichtung von vielversprechenden Spielern eine Entwicklung zur Top-Adresse im europäischen Fußball möglich ist, bewies der FC Liverpool eindrucksvoll. In Liverpool ist schon immer genug Geld vorhanden, doch erst in den letzten Jahren mauserte sich der einstige Rekordmeister zu dem, was er heute ist. Wenn Liverpool heute einen Spieler verpflichten möchte, ist davon auszugehen, dass der Deal zustande kommen wird. Doch das war nicht immer der Fall.
Die aktuelle Mannschaft kommt gänzlich ohne Spieler aus, die zum Zeitpunkt ihrer Verpflichtung dem Weltklasseniveau zugeordnet wurden. Salah kam von der AS Rom, Firmino von der TSG Hoffenheim, van Dijk und Mane vom FC Southampton. All diese Spieler waren ohne Frage schon damals auf einem guten Niveau, aber erst in Liverpool stiegen sie zur absoluten Weltklasse auf. Der FC Liverpool trifft unter der Führung von Jürgen Klopp weitsichtige Transferentscheidungen. Deutlich wird diese Tatsache daran, dass der Verein im Sommer 2019 nur einen einzigen Spieler verpflichtete – einen 17-jährigen für 1,9 Mio. Euro.
Trotzdem führt der LFC die beste Liga der Welt mit unglaublichen 64 Punkten nach 22 Spielen an und wird schon jetzt (im Januar!) von den englischen Buchmachern zum Meister ernannt. Eine solche Entwicklung ist nur möglich, wenn eine klare Vision existiert und alle an einem Strang ziehen. Beim FC Bayern scheint momentan beides ein wenig zu fehlen. Sowohl Trainer als auch Sportdirektor stehen ständig in der Kritik. Es fehlt an Kontinuität.
Ein Sané macht keinen Sommer…
Hansi Flick ist der nächste Trainer, der die Chance bekommt, dem Verein seinen Stempel aufzudrücken. Um diese Aufgabe auszuführen, benötigt er aber mehr Zeit, als bis zum Sommer. Es müssen zukunftsfähige Transfers getätigt werden, um die eigenen Ansprüche und die tatsächlichen Leistungen wieder in Einklang zu bringen. Leroy Sané ist in diesem Zusammenhang nur die Spitze des Eisberges. Ein Spieler wird nicht die Probleme des gesamten Vereins lösen. Die Breite des Kaders entspricht momentan nicht internationalem Top-Niveau.
Vor allem auf den Flügeln und in der Verteidigung besteht Nachholbedarf. Doch die Verpflichtung von Spielern für die entsprechenden Positionen darf nicht nur ein Mittel zum Zweck sein. Es müssen Spieler verpflichtet werden, die das Potenzial haben, das Gesicht des Vereins über Jahre zu prägen. All das ist leichter gesagt als getan. Das Bewusstsein über diese Problematik haben die Verantwortlichen des FC Bayern definitiv, nur kommt es jetzt darauf an, die richtigen Taten folgen zu lassen. Weitere Leihtransfers im Sommer sind das nicht.