RB Leipzig scheint in dieser Saison ein ernsthafter Kandidat für die Meisterschaft zu sein. Unter Julian Nagelsmann spielten die Sachsen eine herausragende Hinrunde und wurden verdient Herbstmeister. Die dargebotene Konstanz gilt es nun in der zweiten Saisonhälfte beizubehalten, um auch am Ende ganz oben zu stehen. Doch ein Spieler wird den Bullen dabei nicht mehr weiterhelfen – das Leipziger Urgestein – Diego Demme.
Von der Bank zum Stammspieler zum Wechsel
Der 28-jährige Deutsch-Italiener wechselte Anfang des Jahres für rund 12 Mio. Euro zum SSC Neapel. Damit endet für ihn nach sechs Jahren das Kapitel RB Leipzig. Das kommt auf den ersten Blick, aufgrund der Meisterschaftsambitionen der Leipziger, recht überraschend. Demme, der schon in der dritten Liga für RB kickte, könnte seiner erfolgreichen Zeit in Leipzig die Krone aufsetzen. Unter Nagelsmann wurde er nicht nur wieder zum Stammspieler, sondern war sogar Vize-Kapitän. Doch bei genauerem Hinsehen ergibt der Wechsel nach Italien genau zu diesem Zeitpunkt Sinn.
Diego Demmes Karriere verlief anders als die meisten Karrieren aktiver Bundesligaprofis. Erst mit 25 Jahren gab er sein Bundesligadebüt. 2014 wechselte er als gestandener Zweitligaspieler mit 22 Jahren nicht in die Bundesliga, wie es der logische Schritt wäre, sondern in die dritte Liga zu RB Leipzig. Er entschied sich bewusst dazu, noch nicht in die Bundesliga zu gehen, weil er in Leipzig ein vielversprechendes Projekt für die Zukunft sah. Seine Weitsichtigkeit sollte sich auszahlen. Seit der Saison 2016/17 stand Demme mit Leipzig in der Bundesliga und seine Mannschaft erreichte jedes Jahr die europäischen Plätze.
Neben seinen ungewöhnlich weitsichtigen Transferentscheidungen sticht Diego Demme auch durch seine bewusste Ernährung als Fußballer hervor. Die vegane Ernährung hat es ihm besonders angetan. Im Interview mit der Welt gab er zwar zu, es nicht durchzuhalten, sich rein vegan zu ernähren, aber der Anteil pflanzlicher Lebensmittel beträgt bei ihm ca. 80%. Auch er gönnt sich ab und zu eine Pizza, doch sein schlechtes Gewissen lässt diese Sünden nur sehr selten zu. Für Demme ist eine Gesunde Ernährung in Verbindung mit erholsamem Schlaf der Schlüssel zur optimalen Regeneration.
Die Konkurrenz in Leipzig ist groß
Diego Demme scheint also ein Fußballprofi zu sein, der sich sehr viele Gedanken über sein Leben und seine Karriere macht. Auch der Schritt nach Italien ist keine Übersprungshandlung. Schon im Sommer liebäugelte Demme mit einem Wechsel, damals hauptsächlich wegen fehlender Spielzeiten in Leipzig. Nagelsmann setzte wieder voll auf Demme. In allen 17 Hinrundenspielen stand er auf dem Platz. Doch der große Star in der Mannschaft war er auf keinen Fall. Er profitierte sehr stark von den andauernden Verletzungsproblemen von Kevin Kampl. Neben ihm zeigte Konrad Laimer herausragende Leistungen auf der sechs. Wenn Nagelsmann aus den Vollen hätte schöpfen können, ist also davon auszugehen, dass Kampl und Laimer die Doppelsechs gebildet hätten.
Hinzukommt noch der junge US-Amerikaner Tyler Adams, der in der Hinrunde gar keine Rolle spielte und durch Demmes Abgang plötzlich in die Startelf rückt und auch Amadou Haidara kann seine Position ausfüllen. Demme hat zwar eine gute Hinrunde gespielt und auch in der Rückrunde wäre mit Einsatzzeiten zu rechnen, aber die Konkurrenz in Leipzig ist groß. In Neapel erwartet Demme auch ein gut besetztes Mittelfeld, doch er ist der defensivste Sechser im Kader. Er hat ein Alleinstellungsmerkmal und einen Trainer, der besser kaum passen könnte.
Das Vorbild als Trainer
Gennaro Gattuso übernahm Anfang Dezember den Job von Carlo Ancelotti. Die Süditaliener liegen in der Liga momentan nur auf Platz 10 und damit weit hinter ihren Erwartungen. Auch unter Gattuso konnte der Bock bisher nicht umgestoßen werden. Vier Niederlagen aus den ersten sechs Ligaspielen unter dem neuen Trainer sprechen Bände. Für Demme ist er trotzdem der perfekte Trainer. Demmes Vater ist Fan von AC Mailand und Vereinszugehörigkeit wird bekanntermaßen häufig an die Kinder weitergereicht. So kommt es, dass Demmes fußballerische Vorbilder Andrea Pirlo und Gennaro Gattuso heißen.
Pirlo als Vorbild eines 28-jährigen ist keine Überraschung. Den liebt ja eigentlich jeder. Doch Gattuso passt perfekt zum Spielstil von Demme. Ein kleiner, kämpferischer Sechser, der jeden Zweikampf zu 100% annimmt und dessen Einsatz jede fußballerische Unzulänglichkeit wettmacht. Gattuso und Demme ähneln sich stark in ihrem Spielstil, deshalb wollte der Weltmeister von 2006 den kleinen Wadenbeißer wahrscheinlich in seinem Team haben. Bleibt für Demme nur zu hoffen, dass die Amtszeit Gattusos noch ein Weilchen andauert und in etwas erfolgreicheren Bahnen verläuft als bisher. Ein erster Hoffnungsschimmer war der verdiente 2-1 Sieg am Sonntag über Juventus Turin, in dem Demme, bis zu seiner Auswechslung aufgrund eines Gelb-Rot-Risikos, eine sehr gute Leistung zeigte.
Vielleicht ruft Jogi nochmal an
Für Diego Demme ist auch das Kapitel Nationalmannschaft noch nicht ganz abgeschlossen. Er hatte bisher einen Kurzeinsatz 2018 gegen San Marino, doch verletzte sich kurz vor dem darauffolgenden Confed-Cup, für den er eingeplant war. Im Heimatland seines Vaters möchte er seiner ungewöhnlichen Karriere einen weiteren spannenden Abschnitt hinzufügen. Und wer weiß, vielleicht schafft er es sich in Neapel derart zu etablieren, dass Joachim Löw doch nochmal zum Hörer greift und Diego Demme spät in seiner Karriere wieder das Nationaltrikot überstreifen darf. Vorstellbar ist es bei dem bisherigen Karriereverlauf allemal.