Von Influencern bis All-Inclusive – Wie Clubs heute leere Plätze und schlechte Stimmung vermeiden wollen

Man Citys vermeintliche Influencer-Kampagne für mehr Stimmung im Stadion ist nicht der einzige Versuch, um Atmosphäre zu gewinnen. Werbung für Bier, Singing Sections und Co. sollen andernorts für Stimmung sorgen.

Manchester City ist seit Jahren eines der Top Teams weltweit, spielt atemberaubenden Offensivfußball und um die größten Titel mit. Troztdem bleiben gerade in der Champions League häufig Plätze im Etihad leer. Auch, weil die Behziehung zwischen den Citizens und der UEFA angespannt ist. Eine Werbeagentur, die inzwischen nicht mehr für den Club arbeitet, hatte zuletzt kurzerhand Influencer aufgerufen, ihre positiven Erfahrungen bei City-Spielen in Social Media zu teilen und so für mehr Fanandrang zu werben.

Der Verein selbst distanzierte sich von der Kampagne. Aber in verschiedenen Stadien in Europa zeigt sich, dass es Ansätze braucht, um die Fans weiterhin oder wieder ins Stadion zu locken. Dabei kommen diverse Methoden zum Einsatz: Vom Influencer bis zum humorvollen Platzangebot oder Rückgriff auf alkoholhaltiges Bier im Europacup. Lernen können Vereine hier von US-Stadien mit ersten komfortablen All-In-Paketen für Essen, Trinken und den Spielgenuss.

Fankultur im Wandel: Mit Influencern zu mehr Stadiongästen?

Der Aufschrei in der englischen Presse, die für ihre Scharfzüngigkeit bekannt ist, war groß. Manchester City hatte doch tatsächlich eine Werbung an Influencer gerichtet, um mehr Fans zu den Champions-League-Spielen gegen Atalanta, Donezk und Zagreb zu locken. Das sind nicht die größten Gegner, aber ein Spitzenteam wie City erwartet in der Königsklasse volles Haus. Mit Influencern dafür zu sorgen, dass die Atmosphäre bei diesen Spielen so toll sein kann, dass sie kein Fan verpassen sollte, wurde in den sozialen Medien als heuchlerisch oder verzweifelt abgetan.

Bloß hatte Man City diese Kampagne gar nicht selbst initiiert. Vielmehr hat die Agentur PHD Media Manchester diese gestartet, musste aber laut BBC anerkennen, dass sie den “Standards nicht gerecht wurde”. Gerichtet vor allem an Männer zwischen 18 und 55 Jahren, hieß es in der Anzeige:

We want to get across the great atmosphere of the Etihad through the use of influencers who can tell an authentic and genuine story of what it’s like to be at a game.

Die Influencer sollten zu diesem Zweck mit einem inszenierten Bild bei Fans die sogenannte Angst, etwas zu verpassen (FOMO= Fear of Missing Out) erzeugen. Wäre City gerade nicht so überaus erfolgreich, würde das Sprichwort “desperate times call for desperate measures” passend erscheinen. City aber hatte nach eigenen Angaben kein Wissen von dieser Maßnahme und kündigte nach Bekanntwerden der Kampagne in den Medien die Zusammenarbeit mit der Agentur auf. Damit konnte man zwar das Gesicht wahren, die Häme anderer Fan-Gruppen gegenüber der oftmals belächelten Fankultur bei den Citizens bleibt jedoch.

Unabhängig von der schlechten Publicity, die es in diesem Fall wohl doch gibt, müssen Vereine aber ernsthaft daran arbeiten, leere Plätze im Stadion zu füllen. Immerhin bedeuten sie jedes Mal Umsatzeinbußen und wirken in zu großer Menge auch für einen Image-Verlust. Und es wirkt sich auf die Atmosphäre aus. Dagegen gehen manche Clubs, die hier Probleme haben, kreativ vor. Um zu ergründen, welche Maßnahmen erfolgversprechend sind, ist es zunächst aber wichtig zu verstehen, warum Fans dem Stadion überhaupt fernbleiben.

Gründe für den Fan-Verlust im Stadion

Die Besucherzahlen in der Bundesliga schwanken laut Transfermarkt ein wenig – wofür auch wechselnde Stadien der Absteiger und Aufsteiger sorgen können –, aber die Fans kommen bei den meisten Vereinen regelmäßig in die Arenen. Probleme, ihr Stadion regelmäßig zu füllen, haben etwa Fortuna Düsseldorf, der VfL Wolfsburg oder Hertha BSC Berlin. Die Hertha und die Fortuna haben sehr große Stadien und sind keine Spitzenclubs, was ein Teil der Erklärung sein dürfte. Beim VfL Wolfsburg herrscht schon seit Jahren ein Problem mit fehlenden Stadionbesuchern.

Gründe, warum Fans nicht ins Stadion kommen, gibt es mehr als genug. Es reicht mitunter schon, wenn der Trainer des Lieblingsclubs einen Fußball spielen lässt, der Langeweile aufkommen lässt und dabei auch keinen Erfolg hat. Steigende Ticketpreise sind ebenso problematisch wie unattraktive Gegner. Auch ungeliebte Anstoßzeiten in der Europa-League (18.55 Uhr und 21 Uhr) oder die Freitags- und Montagsspiele in der Bundesliga schrecken manchen Fan ab. Die BILD-Zeitung sammelte Anfang 2018 einige Stimmen von Fans. Dabei wurden weitere Gründe genannt, darunter: Das Ungleichgewicht von Gehältern und Leistung, Montagsspiele, der “Emotionskiller Videoschiri”, zunehmende VIP-Bereiche im Stadion, die die Stimmung drücken, steigende Kosten insgesamt im Stadion usw.

Auch das wachsende Angebot, Fußball überall zu streamen und komfortabel über diverse Kanäle zu konsumieren, dürfte seinen Teil dazu beitragen, dass mancher Fan den Weg ins Stadion meidet. Doch um die Stadionatmosphäre zu stärken, setzen verschiedene Clubs auf diverse Initiativen.

Den Fan ins Stadion locken und die Atmosphäre pushen

Der Ansatz der Marketing-Agentur aus Manchester, auf Influencer zu setzen, mag dem generell traditionsliebenden Fußballfan absurd vorkommen, ist jedoch zeitgemäß. Wenn Instagrammer mit Abertausenden von Followern es fertigbringen, mit ausdrucksstarkem Content Fans zum Stadionbesuch zu animieren, dann ist aus Sicht des Vereins, des Unternehmens, nichts dagegen einzuwenden. Zwar werden Fans von Clubs, die bisher immer gut gefüllte Stadien haben – was auf City in der Premier League auch zutrifft – solche Maßnahmen belächeln. Aber wirken könnten sie langfristig trotzdem.

Auf andere Reize setzt der Stadtrivale Manchester United. Die Atmosphäre im Stadion hat trotz beständig vieler Besucher in der Premier League seit dem Ende der Ferguson-Ära gelitten. So sehr, dass vor einigen Jahren eine Singing Section eingeführt wurde.

Seit dieser Saison sind zudem Sitzplatzareale in “Atmospheric Areas” umgewandelt worden. Die dort vertretenen lautstarken Supporter sollen im Heimspiel gegen Leicester City diese Saison für Höchstwerte bei der Dezibel-Lautstärke gesorgt haben (98 dB).

Während bei United genug Menschen Dauerkarten kaufen und das Stadion, außer in der Europa League oder im Carabao Cup, meist ausverkauft ist, hat der VfL Wolfsburg nicht nur in der Euro-League das Problem. Zum Spiel gegen PFK Oleksandrija in der Volkswagen-Arena waren nur 10.000 Heimfans erwartet worden.

Wie viele? Nur 10.000? Für unser Heim- oder das Auswärtsspiel?,

soll Verteidiger Jerome Roussillon laut RP Online gefragt haben, als ihm dies eröffnet wurde. Der Kicker nennt als Grund für diese schwache Kulisse für ein Europacup-Spiel neben dem wenig attraktiven Gegner die Anstoßzeit von 21 Uhr, die auch mit dem Schichtwechsel im VW-Werk (22.30) kollidiert. Bei Twitter versuchte es der Club daher mit Selbstironie.

Nachdem die UEFA seit 2018 auch wieder alkoholische Getränke bei Spiele im Europapokal erlaubt, warb der VfL auch mit der Aussicht auf ein Bier im Stadion. Zuschauer waren trotzdem nur knapp 10.000 da. Dass die Fans die Auftritte in Europa verschmähen, nachdem der Club es wieder dorthin geschafft hat, ist für die Wölfe ein alarmierendes Zeichen. Und ein finanzieller Pain Point.

Daher braucht es weiterhin kreative Wege, um Fans in die Arena zu locken. Vielleicht ja sogar über eine Influencer-Kampagne. Aber auch Incentives wie der Komfort von IoT-Lösungen im Stadion oder All-In-Tickets könnten für mehr Besucher sorgen.

Wie wäre es mit 5G oder: All you can eat – and drink

Obwohl einige Vereine Probleme mit ausbleibenden Fans haben, sind die Zuschauerzahlen insgesamt in vielen Ligen konstant. Trotzdem müssen sich Vereine als Unternehmen immer neue Lösungen überleben, um die Fans – aber auch Touristen, Geschäftsgäste usw. – von einem Besuch und bei diesem Besuch zu überzeugen. In Sachen digitaler Fortschritt hat der VfL Wolfsburg da schon die richtige Grundlage geschaffen. Vodafone hat zu Saisonbeginn die Volkswagen-Arena 5G-fähig gemacht.

Als erstes 5G-Stadion in Deutschland können Fans hier nicht nur 60 Prozent mehr Mobilfunk-Kapazitäten nutzen, sondern auch in einer Echtzeit-App diverse Daten aus dem Spiel auslesen, etwa Sprintgeschwindigkeiten oder die Wahrscheinlichkeit des Abspielens etc. Die digitalaffinen Fans sollten begeistert sein. Nun müssen die Wölfe diese Fans mit zusätzlichen Angeboten locken, damit die Technologie hier auch ihr Potential einem ausverkauften Haus präsentieren kann. Der Fußball in dieser Saison ist schon vielversprechend. Aber das scheint den Fans noch nicht zu reichen.

Aus Business-Sicht ist ein Blick in die USA hilfreich. Beim NFL-Team der San Francisco 49ers können Dauerkartenbesitzer ab der Saison 2020 essen und erinken so viel sie wollen. Das berichtet FOX Sports. Eine Umfrage bei den eigenen Fans habe ergeben, dass der gastronomische Service für die Experience der Zuschauer und deren Zufriedenheit extrem wichtig sei.

Allerdings sind alkoholische Getränke vom Service ausgeschlossen. Dieses All-you-can-eat-Paket ist aufgrund der Unterschiede zwischen Fußball und American Football sicher keine Patentlösung; aber der Ansatz, Käufe im Stadion reibungslos zu gestalten, effizienter und für den Fan letztlich vielleicht sogar etwas günstiger zu machen, könnte einen weiteren Anreiz für die Fans bedeuten. Abgesehen davon braucht es vor allem gutes Marketing und guten Fußball.

Wichtig für die Fans: Erfolg und eine Marke

Das zeigen die Zahlen der Zuschauer bei Erfolgsvereinen wie dem FC Bayern München oder auch Ajax Amsterdam. Traditionsclubs wie der FC Liverpool, der BVB, Schalke 04 oder West Ham United haben auch in Zeiten ohne den großen Erfolg fast immer volle Stadien (gehabt).

Toller Fußball und Erfolge sind meistens Garanten für ein volles Haus. Aber auch, wenn der Verein eine starke Marke ist, bleiben die Fans treue Stadionbesucher – oder andere Interessierte werden zu solchen. Manchester United hat trotz Jahren der Ziellosigkeit und des beinahe gänzlich ausbleibenden Erfolgs einen der höchsten Zuschauerschnitten in Europa. Und in der 2. Bundesliga hatte der FC St. Pauli vor wenigen Jahren den höchsten Zuschauerschnitt Zweitliga-Saison gehabt, so der Kicker (diese Saison dürfte der VfB Stuttgart vor dem HSV die Nummer eins werden). Auch ohne erfolgreichen Top-Fußball und ohne Premium-Stadion-Highlights ist beim FC St. Pauli die Besucherzahl konstant hoch.

Fan-Kultur kann man nicht kaufen, das machen diese Beispiele deutlich. Aber für ein volles Stadion kann man einiges tun. Social Media spielen dabei eine immer gewichtigere Rolle. Keine größere als das Spiel, das Team, der obligatorische Star-Spieler. Noch nicht.

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