Laut Alexander Graf, dem CEO von Spryker Systems, ist Plattformökonomie das Geschäftsfeld der Zukunft und vor allem: das Geschäftsfeld der Gegenwart. Plattformen wie Google, Amazon oder Facebook regieren die Märkte. Diese Plattformen haben es alle in ihrem Bereich geschafft eine Monopolstellung zu erreichen und beherrschen jetzt den Zugang zum Endkunden, welchen sie wiederum an andere Anbieter vermieten.
“Plattformökonomie bedeutet: den Zugang zum Endkunden zu verkaufen/vermieten.”
Alexander Graf
Alle diese riesigen Unternehmen haben gemeinsam, dass keines von ihnen als Plattform begonnen hat. Das bezeichnet Alexander Graf auch als ein typisches Merkmal einer Plattform. Jede heutige Plattform hat damit begonnen, ein bestimmtes Geschäftsfeld extrem gut zu besetzen, wie es zum Beispiel Amazon im Bücherhandel tat. Aus diesem Gedanken heraus entsteht die Idee, dass die nächsten großen Plattformen eventuell Fußballvereine sein könnten, wenn sie anfangen zukunftsorientiert zu arbeiten.
Ein Fußballverein hat eine gesicherte Fanbase, die in der Regel auch sehr loyal ist. Also ist die Kundengewinnung bis zu einem gewissen Punkt kein Problem. Außerdem haben Fußballvereine das Potenzial, dem Kunden jede Menge Produkte anzubieten. Das Angebot sollte aber nicht der reine Stadionbesuch sein, sondern wesentlich mehr enthalten. Als Kunde auf der Internetseite eines Fußballvereins direkt Hotel, Mietwagen und Parkplatz zu dem Ticket dazubuchen, wäre kein großes Problem für die Vereine. Ist momentan jedoch bei den deutschen Bundesligaklubs absolut undenkbar. Und das liegt vor allem an der Art und Weise, wie die meisten Vereine geführt werden.
“Wenn ich sehe wie heute dort digital gemanaged wird, […] dann muss ich schon sagen: der Weg ist relativ weit, das Potenzial ist aber schon extrem groß.”
Alexander Graf
Die Führung einiger Profiklubs ähnelt nämlich laut Graf eher der Führung eines Kleingartenvereins denn der eines Wirtschaftsunternehmens. Die Verantwortlichen sind eher auf kurzfristigen sportlichen Erfolg aus, anstatt langfristige, wirtschaftlich lukrative Ideen zu verfolgen. Obwohl gerade Fußballvereine durch die hohen Zuschauerzahlen in Deutschland einen sehr breiten Kundenstamm hätten und so innerhalb kürzester Zeit von zehntausenden Menschen relevante Daten zusammentragen könnten.
“Der emotionale Log-in bei Lätta, bei Rewe ist eben nicht so groß wie der bei Holstein Kiel. […] Da kann man glaub ich eine ganze Menge machen und ich glaube das ganze Thema Infrastruktur und Daten wird komplett unterschätzt.”
Alexander Graf
Das Problem liegt laut Graf bei der Herangehensweise der Vereine, die allzu häufig doch lieber dem regionalen Dienstleister beim Bau ihrer Website vertrauen. Dadurch möchten sie Komplikationen vermeiden und diese vergleichsweise leidigen Themen schnellstmöglich abhaken und missachten dabei die riesigen Chancen, die sich ihnen bieten.
Eine Vorreiterrolle in Deutschland und auch international nimmt laut Graf der FC Bayern ein, der in den genannten Bereichen schon sehr viel besser aufgestellt ist. Ein Grund dafür, dass Bayern in Deutschland mit dieser zukunftorientierten Strategie noch relativ alleine ist, liegt laut Graf darin, dass der monetäre Druck hierzulande eher gering ist. Wohingegen in England beispielsweise Investoren riesige Summen in die Vereine investieren und deshalb auch ein entsprechender Druck besteht, sich weiterzuentwickeln.
“Du hast […] immer stark den Druck von der Fanseite. Die fordert ja auch eher den Fußballer für 2 Mio. mehr als jetzt eine Digitalstrategie, die langfristig wirkt.”
Alexander Graf
Graf sieht Fußballvereine außerdem als Unterhaltungsmarken und hält den Blick auf den globalen Markt für sehr wichtig. Dabei sollte sich an den amerikanischen Ligen wie der NBA, NFL oder MLB orientiert werden, wo die Vermaktung wesentlich besser funktioniert. Der Fußball hat sich in diesen Bereichen in den letzten 20 Jahren nicht grundlegend weiterentwickelt, so Graf.
Die DFL beispielsweise für die Vermaktung von Tickets stärker in die Pflicht zu nehmen hält Graf jedoch nicht für die Lösung der Probleme. So könnte zwar theoretisch der Ticketkauf in der Bundesliga wesentlich vereinfacht werden, jedoch ist die Umsetzung einer solchen Idee aufgrund der Struktur der DFL in der Praxis sehr schwierig. Der genossenschaftliche Aufbau macht die Umsetzung zukunftsorientierter Ideen, die 5-10 Jahre in die Zukunft reichen, nahezu unmöglich, da zu viele Beteiligte ihre Gegenstimme erheben würden.
“Wenn du da (bei der DFL) 50 Leute sitzen hast, von denen vielleicht nur zehn verstehen, was Plattformen sind, drei das Mandat haben aus ihrem Verein dir das Recht zu geben, jetzt zu investieren und einer das vielleicht in der Sitzung macht, dann bist du chancenlos.”
Alexander Graf
Als Resultat der momentanen Umstände hält Graf für sehr wahrscheinlich, dass Änderungen wie ein neues Ticketingsystem nicht von der DFL kommen werden, sondern von anderen großen Unternehmen, die mit entsprechenden finanziellen Mitteln die Möglichkeiten dazu haben. Doch genau dieses Wissen über die momentanen Umstände und die wahrscheinlichen Folgen daraus ergeben laut Graf einen Wettbewerbsvorteil, da den Vereinen bewusst ist, mit wem sich eine Zusammenarbeit über kurz oder lang auszahlen wird.
Die Vereinslandschaft in Deutschland hat sich also noch nicht optimal auf die Zukunft eingestellt, doch die Voraussetzungen für ein innovatives Arbeiten sind gegeben. Die Verantwortlichen sollten jedoch besser möglichst früh damit beginnen, das Potenzial ihrer Vereine auszuschöpfen, bevor andere es tun.