Das Spiel mit den Zahlen – wie sehr Datenanalyse den Fußball verändert

Daten sind Macht. Das gilt in der digitalisierten Welt auch für den Fußball. Wer mehr weiß, hat einen Vorteil in vielen verschiedenen Bereichen.

Begonnen hat alles im Baseball mit Billy Beane und den Oakland Athletics. Anfang der 2000er begann Beane dort die Zusammenstellung des Kaders mithilfe eines umstrittenen Datenanalysetools vorzunehmen und so den finanziell unterlegenen Verein zu unverhofften Erfolgen in der MLB zu führen. Über diese Geschichte eines Mannes, der nicht nur den Baseball sondern viele weitere Sportarten veränderte, wurde sogar ein Film gedreht.

Viele Jahre später hat sich auch im Fußball eine Menge durch neue Methoden der Datenanalyse verändert. In jedem Spiel werden unzählige Daten erhoben und Aufnahmen getätigt. Dieses gesammelte Material wird von Firmen wie WyScout oder SAP in Datenbanken aufbereitet und wiederum für Vereine, Scouts, Spieler, Schiedsrichter und jeden, der das nötige Kleingeld besitzt, bereitgestellt.

Expected Goals, Packing, …

Durch die neuen Methoden werden auch immer andere Kennzahlen zur Messbarkeit der Leistung eines Spielers publik. Die wohl bekanntesten sind die Expected Goals und das Packing. Die normalen Daten eines Fußballspiels (Torschüsse, Ballbesitz, Zweikampfquote etc.) lieferten für einige Experten nicht genug Erkenntnisse über die tatsächliche Leistung eines Spielers oder einer Mannschaft, weshalb sie sich neue Messwerte überlegten.

Das Packing, entwickelt von den beiden ehemaligen Bundesligaspielern Stefan Reinartz und Jens Hegeler, versucht die Effektivität einzelner Pässe genauer zu bestimmen. Wobei ein Querpass, welcher logischerweise weniger Torgefahr erzeugt als ein Steilpass, zum Beispiel eher geringe Werte aufweist. Die Expected Goals (xG) beschreiben wie viele Tore ein Spieler pro Spiel hätte schießen können. Dafür wurden unendlich viele Tore aus allen möglichen Ligen ausgewertet und aus den gewonnen Daten für jede Position auf dem Feld eine Wahrscheinlichkeit des Torerfolges berechnet.

Schießt ein Spieler also freistehend aus dem Fünfmeterraum aufs Tor, wird der xG Wert knapp unter 1 festgelegt. So entsteht eine neue Möglichkeit die Torgefährlichkeit von Spielern zu berechnen. Hat man beispielsweise einen Stürmer, der weitaus mehr Tore schießt als seine xGs vermuten lassen, kann man davon ausgehen, dass dieser Spieler entweder sehr viel Glück hat oder aber wirklich torgefährlich ist. Durch diese neuen Werte, welche nur einen ganz kleinen Teil dessen darstellen, was momentan so alles in der Datenanalyse im Fußball erdacht wird, können Vereine einen ganz neuen Blick auf Spieler werfen und sind nicht mehr nur von der bloßen Einschätzung des menschlichen Auges abhängig.

Transfers auf Basis von Datenanalyse

Zwei Männer, die mit der erfolgreichen Umsetzung dieser neuen Methoden berühmt geworden sind, sind Matthew Benham und Rasmuss Ankersen. Sie krempelten den FC Midtylland und den FC Brentford einmal komplett um und begannen auf Grundlage von Datenanalyse Spieler zu scouten und die Mannschaften trainieren zu lassen. Vor allem die Erfolgsgeschichte des FC Midtylland sorgte für Aufsehen in ganz Europa: Spätestens nach dem Hinspielerfolg in der Europa League über Manchester United sollte auch dem letzten Vereinsverantwortlichen klar geworden sein, dass Datenanalyse auch im Fußball nicht nur irgendwelche Zahlen sind.

Die Art und Weise wie Scouts heutzutage arbeiten hat sich grundlegend verändert. Ein Scout schaut sich zwar immer noch, zur genauen Beobachtung bestimmter Spieler, unzählige Live-Spiele pro Jahr an, aber ein Großteil seiner Arbeit findet vor dem Computer statt. Mit Programmen wie dem von WyScout werden Spieler auf bestimmte Merkmale hin gesucht und dann werden sich passende Videos angeschaut. So können von einem Spieler innerhalb kürzester Zeit viele verschiedene Spielsituationen angeschaut werden, wodurch ein guter Eindruck entsteht.

In diesen Datenbanken wird beispielsweise nach den erfolgreichen Dribblings und den vorbereiteten Toren gefiltert, um einen passenden Flügelstürmer zu finden. Unter Eingabe eines bestimmten Alters lässt sich die Suche dann schnell auf einige Kandidaten eingrenzen, die dann mithilfe der Videos genauer untersucht und möglicherweise, nach einem Scouting vor Ort, verpflichtet werden.

Neben den Transfers verändert sich durch die neuen Daten auch die Verletzungsprophylaxe. Unternehmen wie Zone7 unterstützen Fußballvereine dabei zu erkennen, wann ein Spieler ausgewechselt oder geschont werden sollte, weil er Gefahr läuft, sich zu verletzen. So sind zwar die schwerwiegenden Verletzungen wie Kreuzbandrisse o.ä. nicht wirklich zu verhindern, aber insgesamt verringert sich die Häufigkeit und Länge der Verletzungen merklich.

Besieger der Wahrscheinlichkeit

Ein interessantes Beispiel dafür, dass auch die neuen Messeinheiten wie die Expected Goals noch nicht perfekt sind, liefert ein momentan sehr erfolgreicher Trainer aus der Bundesliga – Lucien Favre. Dieser Mann und seine Mannschaften bereiten den Denkern hinter den Zahlen seit einiger Zeit Kopfzerbrechen, denn sie schlagen Regelmäßig die Wahrscheinlichkeiten. So ist es im Fußball ohne weiteres möglich, eine Saison weit über den berechneten Erwartungen zu stehen, indem man einfach Glück hat.

Lucien Favre

Eindrucksvoll dargestellt hat das der BVB in der Saison 2014/15. In der Hinrunde dieser Saison spielte die Mannschaft weit unter ihren Erwartungen und belegte zur Winterpause einen Abstiegsplatz. Den Datenanalysen zufolge spielte der BVB aber nicht so schlecht wie es die Ergebnisse vermuten ließen. Sie hatten einfach eine Menge Pech, was sich in der Rückrunde zum Glück des Vereins wieder änderte.

Lucien Favre und seine bisherigen Vereine aber spielen seit Jahren konstant über den Erwartungen. Bei einer derartigen Beständigkeit kann von Glück keine Rede sein. Favres Teams schießen jede Saison mehr Tore als die xG vorhersagen und legen damit kleine Probleme der Systeme offen. Es ist keinesfalls so, dass die Werte deshalb nicht aussagekräftig seien – Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel.

https://www.youtube.com/watch?v=fqQGXGkK_tw

Auf der Spielmacher Konferenz 2019 wird viel über die neue Macht der Daten gesprochen werden. Interessante Speaker und Gäste wie SAP, WyScout oder Zone7 werden als Experten über die großen Möglichkeiten der Datenanalyse im Fußball berichten und neue Erkenntnisse dieses spannenden Geschäftsbereichs vorstellen.

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