50 + 1: Veraltete Fußballromantik oder zukunftsfähiges Modell?

Die Traditionalisten gegen die Reformer. Die 50 + 1 Regelung spaltet regelrecht die Bundesliga. Doch wer hat die besseren Argumente?

Die Diskussion um die 50 + 1 Regelung ist in der deutschen Fußballlandschaft ein Dauerthema und bei dieser Grundsatzfrage scheiden sich die Geister. Auf der einen Seite argumentieren die Fußballromantiker, dass ein Wegfall der Regelung unabhängigen Investoren die Türen öffnen, welche gar keinen Bezug zu den Vereinen haben. Auf der anderen Seite stehen die Kritiker des deutschen Fußballs, die für die Bundesliga nur eine erfolgreiche Zukunft sehen, wenn die Vereine mehr Geld investieren können.

50 + 1 ist eine in der DFB- und DFL-Satzung festgelegte Regelung, nach der Investoren nicht mehr als 49% von deutschen Fußballvereinen besitzen dürfen. Dadurch soll gesichert werden, dass stets die Vereine die Entscheidungsmacht haben. Von dieser Regelung gibt es momentan drei Ausnahmen. Bei Bayer 04 Leverkusen, dem VFL Wolfsburg und der TSG 1899 Hoffenheim besitzen jeweils Bayer, VW und SAP-Gründer Dietmar Hopp die Mehrheit des Vereins. Diese Ausnahmen wurden vom DFB mit der Begründung, dass die Investoren die Vereine seit mehr als 20 Jahren intensiv finanziell unterstützen, genehmigt. Auch Martin Kind, der Präsident von Hannover 96, möchte eine solche Ausnahme beanspruchen, seine Forderungen wurden aber bisher vom DFB abgelehnt.

Ausnahmen schwächen die Regel

An der momentanen Regelung gibt es viel Kritik. Als größtes Problem werden die Ausnahmengenehmigungen und die Möglichkeiten zur Umgehung von 50 + 1 ausgemacht. Diese Möglichkeiten demonstriert RB Leipzig. Der sächsische Verein gehört de facto Red Bull und konnte durch die finanzielle Unterstützung innerhalb kürzester Zeit starke Ergebnisse in der Bundesliga erzielen. Frank Baumann, der Geschäftsführer Sport vom SV Werder Bremen, veranschaulichte die daraus resultierenden unterschiedlichen Startvoraussetzungen mit einem Beispiel:

“Olympiafinale 110 m Hürden und auf 4 Bahnen stehen keine Hürden.”

Für dementsprechend dringend hält er Erneuerungen der aktuellen Regelung und fordert gleiche Bedingungen für alle. Ob diese Chancengleichheit durch Abschaffung von 50 + 1 hergestellt werden kann ist fraglich. Aber zumindest die Alleinherrschaft der Bayern in der Bundesliga werde dadurch beendet, führen die Befürworter an.

Dass das der Fall sein könnte, geben auch die Konservativen zu, aber sie sind nicht bereit den Preis der unberechenbaren Investoren dafür zu zahlen. Wie schon jetzt in den anderen europäischen Top-Ligen würden ausländische Investoren mit viel Geld und teilweise wenig Ahnung von Fußball in die Bundesligavereine investieren. So ist ein kurzer Erfolg vielleicht möglich, aber die Zukunft des Vereins hängt auch zu großen Teilen von den Launen des Investors ab.

Fußballklubs als Spielzeug der Superreichen

Bestes Beispiel hierfür ist der FC Málaga in Spanien. 2010 kaufte ein Scheich aus Katar den Verein auf. Infolgedessen tätigte der Klub große Investitionen in neue Spieler, Trainer und den Stadionausbau. Was im Sommer 2012 mit Platz 4 und der Teilnahme an der Champions League belohnt wurde. Kurze Zeit später jedoch wurde bekannt, dass der Scheich den Klub zum Verkauf freigegeben hatte. Er hatte offensichtlich das Interesse verloren. Der FC Málaga spielt heute in der zweiten spanischen Liga.

Die Angst vor desinteressierten oder ungeduldigen Kapitalgebern ist also durchaus berechtigt. Und auch in Deutschland war eine ähnliche sportliche Talfahrt aufgrund von unprofessionellem Handeln des Geldgebers zu beobachten. Nämlich bei 1860 München, dem einstigen Rivalen des großen FC Bayern. Der jordanische Geldgeber Hasan Ismaik traf dort viele fragwürdige Entscheidungen und war maßgeblich am Abstieg des Vereins in die vierte Liga beteiligt.

Diesen Negativbeispielen stehen aber auch einige positive Beispiele gegenüber, in denen mit den neuen finanziellen Mitteln klug gewirtschaftet und anhaltender sportlicher Erfolg gesichert wird. Zu sehen ist dies unter anderem in Deutschland, Österreich und vielen weiteren Ländern bei den Red Bull Vereinen oder in England beim Premier League-Aufsteiger Wolverhampton Wanderers.

Der Weg, den die Wolves seit dem Kauf durch das chinesiche Unternehmen Fosun eingeschlagen haben, ist möglicherweise moralisch zu hinterfragen, jedoch ist der sportliche Erfolg nicht von der Hand zu weisen. Das besondere an den Aktivitäten des neureichen Klubs aus dem Zentrum Englands, ist die enge Verbindung zu dem portugiesischen Spielerberater Jorge Mendes, der angeblich auch ein Geschäftspartner von Fosun sein soll.

Mendes vertritt Superstars wie Christiano Ronaldo oder Diego Costa und sorgte dafür, dass neben einigen hochtalentierten portugiesischen Spielern auch Nuno Espirito Santo, der Trainer der Wolves verpflichtet wurde. Unabhängig von den offensichtlichen persönlichen Interessen, die Mendes mit dieser Zusammenarbeit verfolgt, ist Wolverhampton in seiner ersten Saison nach dem Aufstieg sehr erfolgreich in der Premier League und erreichte außerdem das Halbfinale des FA Cups. Der abgestürzte Traditionsverein schafft es dank des chinesischen Investors wieder erfolgreichen Fußball zu spielen.

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Portugiesisches Quartett der Wolverhampton Wanderers

Der Fußball braucht den 12. Mann

Das wohl schwerwiegendste Argument gegen eine Auflösung von 50 + 1 sind die Fans. Nicht nur, da die meisten Fans strikt gegen den Aufkauf ihrer Vereine durch Investoren sind, sondern auch, da sich für sie eine Menge ändern könnte. Wie in England zu beobachten, treffen die neuen Geldgeber ihre Entscheidungen vor allem auf Grundlage wirtschaftlicher Interessen und stoßen damit vielen Fans vor den Kopf.

Der ehemalige Arbeitersport Fußball, ist in England durch horrende Ticketpreise für die unteren Bevölkerungsschichten nahezu unerreichbar geworden. Außerdem werden bei einigen Klubs neben dem Wappen auch die Vereinsfarben geändert, was den jahrelangen Anhängern zumeist eher weniger gefällt. Diese Entwicklungen führen zu einer Abwanderung der englischen Fußballfans in die unteren Ligen und dazu, dass die Spiele der Premier League-Klubs zu immer größeren Teilen von Touristenfans besucht werden.

Bei Manchester United führten diese Entwicklungen im Jahr 2005 sogar zu einer Vereinsneugründung. Einige eingefleischte United-Fans wollten sich nicht mit der Übernahme ihres Vereins durch die Glazer-Familie abfinden und gründeten deshalb kurzerhand ihren eigenen Verein. Der FC United of Manchester nahm sich ein Beispiel am AFC Wimbledon, der seinerseits eine ähnlich Geschichte vorzuweisen hat. Seit der Saison 2015/16 spielt der FCUM in der sechsthöchsten englischen Spielklasse.

Um solche Verhältnisse zu verhindern, möchten die Fans in Deutschland ihr Mitbestimmungsrecht unbedingt behalten. Und auch die Aussicht auf die bessere internationale Konkurrenzfähigkeit wird die Anhänger vermutlich nicht umstimmen.

Reformation statt Abschaffung

Damit diese Konkurrenzfähigkeit und gleichzeitig die sehr hohen Zuschauerzahlen trotzdem gewahrt bleiben, überlegen sich die Verantwortlichen Kompromisse zur Neuregelung von 50 + 1. Diese Neuregelungen sollen einerseits verhindern, dass ausländische Investoren Bundesliagvereine als Spekulationsobjekte missbrauchen und andererseits Möglichkeiten zur stärkeren Finanzierung durch lokale Geldgeber ermöglichen.

Einer der Initiatoren dieser Ideen ist Martin Kind. Seinen Forderungen zufolge, sollen regionale Investoren mit einer Verbindung zum Verein und dessen Geschichte, die Möglichkeit haben, diesen finanziell stärker zu unterstützen. Wobei aber jeder Verein über seinen eigenen Weg entscheiden dürfe. Der FC Bayern beispielsweise lässt schon jetzt verlauten, dass die zu verkaufenden Anteile auch bei einer Regeländerung, nicht mehr werden würden.

96 Präsident Martin Kind beim gemeinsamen Jubel mit Gerhard Schröder

Kind ist der Meinung der ligainterne Wettbewerb könne durch die Reformen wieder spannender werden und er möchte so die Entwicklung der Bundesliga in einer Mehrklassengesellschaft stoppen. Somit wäre der Weg für unabhängige ausländische Investoren dicht und die Konkurrenzfähigkeit der Vereine in Deutschland und Europa wiederhergestellt.

Über diese Zukunftsmusik und vieles mehr wird bei “Public Enemy No. 1: Why Football Investors will make the Bundesliga Stronger” auf der Spielmacher Konferenz 2019 diskutiert. Die Bundesliga hat als einzige Top-Liga in Europa noch die Chance selbst über ihre Zukunft zu entscheiden und diese Entscheidung sollte wohlüberlegt sein.

Ein spannendes Thema, das den deutschen Fußball noch lange beschäftigen wird.

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